Drachenwege
erschließen. Und während der letzten Siebenspanne hatte die Arbeit im Bergwerk geruht, lediglich die Erkundungsteams waren in die Grube eingefahren.
Es war Brauch, hatte Kindan die Erwachsenen sagen hören, dass man nach einem Grubenunglück den Berg-baubetrieb erst wieder aufnahm, wenn sämtliche Opfer geborgen und die Toten bestattet waren.
»Weißt du schon, dass Zenor demnächst in der Schicht meines Vaters arbeiten wird?«, wandte sich Dalor an Kindan. »Jetzt, wo sein Vater nicht mehr lebt, ist er der einzige Verdiener, der die Familie ernähren muss.«
»Und was wird aus seinem Schulunterricht?«, erkundigte sich Kindan.
Dalor sah ihn grübelnd an und zuckte die Achseln.
»Vermutlich schmeißt er die Schule ganz. Bei einem so strengen Lehrer wie Meister Zist könnte man ihn glatt darum beneiden.«
»Du hast ja keine Ahnung!«, rief Kindan empört, ohne daran zu denken, wer noch in der Küche saß. Verschämt schielte er zu Dalors Mutter hin, ehe er murmelte: »Entschuldige, Dalor.«
Ehe es zwischen den beiden Jungen zu einem Streit kommen konnte, betrat Meister Zist die Küche. »Kindan, würdest du bitte mit mir kommen?«
Meister Zist führte ihn in den großen Raum, der normalerweise als Klassenzimmer diente. In dem Zimmer standen drei Tische; zwei lange, die man nebeneinander aufgestellt hatte, und davor ein kleiner. An diesem saß für gewöhnlich Meister Zist, mit dem Rücken zum Kamin.
Natalon und Tarik hatten an einem der langen Tische Platz genommen. Der Steiger winkte Meister Zist und Kindan zu sich und bedeutete ihnen, sich ihm gegenüber zu setzen.
»Kindan«, eröffnete Natalon das Gespräch. »Wie man mir sagte, ist es dein Wunsch, bei uns im Camp zu bleiben.«
Kindan nickte. Bis jetzt hatte er noch gar nicht richtig darüber nachgedacht, was dieser Beschluss für ihn bedeutete. Er braucht eine Familie, die ihn bei sich aufnahm. Er hatte die Erwachsenen tuscheln hören, dass es nicht ginge, wenn er ganz allein in dem Cottage wohnte.
Ein Blick auf Tarik verriet ihm, wer Anspruch auf dieses Quartier erhob. Jenella würde bald ihr Kind zur Welt bringen, und Kindan konnte es sich gut vorstellen, dass Tarik und seine Familie keine Lust hatten, sich ständig das Geplärre eines Neugeborenen anhören zu müssen.
Kindan verspürte eine Anwandlung von Groll, als er sich vorstellte, dass Tarik in das Häuschen ziehen würde, welches sein Vater für seine Familie gebaut hatte. Doch dann fiel ihm wieder die Frage ein, die ihm auf der Seele brannte, und auf die er unbedingt eine Antwort wollte.
»Sir«, wandte sich Kindan an Natalon, »was haben die Nachforschungen ergeben?«
Natalon schaute Tarik von der Seite her an. Der schien zu erstarren und maß Kindan mit einem strafenden Blick.
»Die Resultate sind nicht eindeutig«, erwiderte Natalon. »Aber das ist nicht ungewöhnlich, wenn man die Ursachen für ein Grubenunglück herauszufinden versucht.«
Kindan drückte den Rücken durch und schickte sich an, Natalon mit weiteren Fragen zu bombardieren. Doch der Steiger hielt eine Hand hoch, zum Zeichen, dass er mit seinen Ausführungen noch nicht fertig war.
»Wir vermuten«, fuhr er fort, »dass die Kumpel das Pech hatten, eine Gesteinsschicht zu bearbeiten, in der der Fels sehr locker saß. Durch den Einsatz von Spitzhacken brach die Firste ein und verschüttete die Männer.«
»Aber in dem Stollen roch es nach Gas«, wandte Kindan ein. »Dask sagte es mir, und sogar ich konnte die Stickluft riechen.«
Natalon und Tarik tauschten Blicke. Tarik schüttelte den Kopf. »Keiner der Männer, mit denen ich sprach, hat etwas von Stickluft erwähnt«, erklärte er.
»Bist du sicher, dass du Dask richtig verstanden hast?«, vergewisserte sich Natalon.
»Angeblich muss man doch jahrelang trainieren, um einen Wachwher zu verstehen«, murrte Tarik. »Und diese Kreatur muss unter starken Schmerzen gelitten haben.«
»Man braucht nicht viel Zeit, um die Laute zu kennen, mit denen ein Wachwher Stickluft anzeigt«, widersprach Kindan. »Diese Tonfolge und alle anderen Signale, die vor einer drohenden Gefahr warnen, habe ich in null Komma nichts gelernt.« Er verschwieg jedoch, dass er seine Kenntnisse über Wachwhere von Silstra hatte, und auch seine Schwester wusste über diese Geschöpfe nicht besonders viel.
Tarik schüttelte den Kopf. »Es gab keine Anzeichen für Funkenschlag, und es brach auch kein Feuer aus.«
»Möglicherweise war es nur eine kleine Gassäule oder eine Blase voller Gas«,
Weitere Kostenlose Bücher