Drachenzauber
kleinlaut zu seinen Füßen.
Als Max durch die silbrigen Umrisse der Tür ging, war ihm, als würde er in ein Meer waten. Die Schrittefielen ihm schwer. Überall um ihn herum herrschte hoher Druck. Dann war er plötzlich auf der anderen Seite. Es schien, als würde aus der Nacht Tag werden. Der Sonnenuntergang in Gore war zum Tagesanbruch in Annwn geworden: Eine fahle Sonne schien durch den frühen Morgennebel, Tautropfen glänzten im Gras. Und vor ihnen lag ein schäumender, sprudelnder, kühler Fluss mit pechschwarzem Wasser.
»Ah«, sagte Merlin. »Ich hatte gehofft, dass das nicht die erste Herausforderung sein würde.«
Artus drehte sich zu ihm um und runzelte die Stirn. »Und das ist?«
»Der Pechschwarze Fluss«, erklärte Merlin. »Es ist ein verzauberter Fluss. Wir können ihn mit einer magischen Brücke überqueren. Aber das kann ich nur einmal machen, und es wird nicht funktionieren, wenn ich nicht hierbleibe und den Zauber aufrechterhalte. Ich befürchte, dass ihr von nun an allein weitergehen müsst. Ich warte hier auf eure Rückkehr.«
»Na toll«, sagte Grimm. »Wir sind gerade erst angekommen und haben schon die eine Person verloren, die weiß, was zu tun ist.«
Artus drehte sich zu Max um und zog eine Braue hoch.
»Weißt du, Max, Merlin hat einmal einen ganzen Sommer damit verbracht, mich in verschiedene seltsame Wesen zu verwandeln. Mit dem nützlichen Ergebnis, dass ich jetzt die Sprache der Tiere verstehe. Also Grimm, sei beruhigt – Merlin ist nicht der Einzige hier, der weiß, was zu tun ist.«
Grimm quietschte und vergrub sich verlegen in Max’ Tunika. Artus lachte. Sein Lachen war stark und klar. Seine blauen Augen funkelten amüsiert, wodurch sein Gesicht jünger wirkte. Auch Max musste lachen und fühlte sich gleich um einiges tapferer und zuversichtlicher. Sie würden Olivia finden und sicher nach Hause bringen!
Merlin stand am Fluss und sah gelegentlich zum anderen Ufer hinüber. Jetzt drehte er sich um und gab ihnen ein Zeichen.
»Gut«, sagte er. »Wenn die Brücke fertig ist, geht ihr so schnell wie möglich rüber. Es gibt noch sechs weitere Prüfungen, eine für jeden von euch und eine für Olivia. Ihr müsst so schnell wie möglich zurückkommen. Lasst euch nicht ablenken. In diesem Land ist die Zeit nicht dieselbe, und sie könnte schneller vergehen, als es scheint. Viel Glück!«
Er deutete auf den Fluss. Da war sie – eine schmale Holzbrücke, die in einem Bogen über das Wasserführte. Sie sah sehr stabil und irgendwie auch sehr nach Merlin aus: scheinbar schlicht, aber stark, zuverlässig und mit einer Magie, die in jeder einzelnen Planke steckte. Max hatte das Gefühl, als ob mit jedem Schritt etwas von Merlins Stärke und Zauberkraft auf ihn übergehen würde. Und das war auch gut so, denn Merlins Worte hatten ihn beunruhigt. Eine Prüfung für jeden von ihnen? Für ihn und Grimm und Adolphus? Wie sollten sie nur wissen, was zu tun war, wenn sie an die Reihe kamen? Und was, wenn sie zuletzt drankamen? Was, wenn Artus und Sir Bertram nicht da waren, um ihnen zu helfen? Max biss sich auf dieUnterlippe und versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, als er auf der anderen Seite festen Boden betrat.
Es schien, als würden sie stundenlang über Wiesen und unebene Weiden gehen, ohne jemanden oder etwas zu sehen. Es herrschte eine seltsame Stille. Obwohl der Tag hell und klar war, war es aus irgendeinem Grund schwierig, weit zu sehen. Sir Bertram wurde allmählich heiß in seiner Rüstung. So langsam hatte er die Nase voll. Schließlich hielt er an.
»Tut mir leid, aber ich habe genug«, sagte er. »Es wird höchste Zeit, dass wir jemandem begegnen.«
Er sah sich um, legte die Hände wie einen Trichter an den Mund und brüllte ins Nichts hinein.
»Kommt her! Wir wollen Olivia holen! Kommt und tretet uns in den Weg! Kommt her und kämpft! Duckmäuser! Feiglinge! Kommt raus und kämpft mit uns!«
Artus schien amüsiert.
»Vielleicht hast du recht«, sagte er und fügte Sir Bertrams Rufen hinzu: »Ich bin es, König Artus von Britannien, der euch herausfordert. Wir suchen Olivia Pendragon. Bringt sie zu uns oder wir bringen unsere Schwerter!«
Eine schwere Stille folgte. Dann aber hörten sie aufeinmal das Rasseln von Steinen. Und als sie weitergingen, tauchte plötzlich eine große Festung vor ihnen auf. Eine Festung, die sehr solide aussah und die es dennoch einen Augenblick zuvor noch nicht gegeben hatte.
Während sie sie anstarrten, öffnete sich
Weitere Kostenlose Bücher