Drachenzauber
recht. Hier verging die Zeit viel schneller als zu Hause. Und sie mussten immer noch Olivia finden und bei Annwns Sonnenuntergang – Tagesanbruch in Gore – zurück sein. Artus nickte.
»Jetzt sind du und ich dran, Max.«
»Und Adolphus«, erinnerte Max ihn.
Seitdem sie die Anderswelt betreten hatten, war Adolphus sehr kleinlaut gewesen. Er hatte den Schwanz eingezogen und kaum ein Wort von sich gegeben. Dann und wann sah er auf und leckte Max’ Hand. Aber er schien nicht sehr glücklich zu sein. Was immer es auch für eine Prüfung sein mochte, die Adolphus bevorstand, Max hoffte sehr, dass sie nicht allzu viel Grips erforderte.
Sie zogen weiter und fanden sich beinahe im selben Augenblick in einem Wald wieder. Die Bäume schienen bis ins Unendliche zu wachsen und verschwanden in einer kühlen grünen Dunkelheit hoch über ihren Köpfen. Kein Sonnenstrahl drang hier hinein, und der Waldboden war laubbedeckt und weich.
Schweigend gingen sie weiter. Dann hörte Max das schwache Echo von Gebell.
Er drehte sich zu Artus um, der ebenfalls angestrengt lauschte.
»Hunde«, sagte der König schließlich und wirkte besorgt. »Die Höllenhunde – die Hunde von Annwn – die wilde Jagd. Sie sollen groß und böse sein, und jeder von ihnen soll drei Köpfe haben ... Ich glaube, das ist meine Aufgabe.«
Er zückte Excalibur und gebot Max, hinter seinemRücken Schutz zu suchen. Dann stellte er sich dem Bellen, das allmählich näher kam.
Jetzt hörten sie, wie Zweige brachen. Sie hörten das Rascheln von Büschen, die von gewaltigen Körpern beiseitegeschoben wurden. Und sie hörten das Hecheln und Knurren der riesigen Bestien, die durch den Wald kamen. Dann – waren sie da. Sieben große Hunde – schwarz wie die Nacht. Mit weißen Zähnen und jeder von ihnen mit drei Köpfen. Die Hunde duckten sich, als wollten sie sich jeden Augenblick auf sie stürzen. Ihre Blicke waren auf Artus und das leuchtende Schwert in seiner Hand gerichtet.
Max’ Aufgabe
Die Hunde standen knurrend da. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Sie fletschten die Zähne. Für einen Moment stand die Zeit still. Dann schmiss sich Adolphus nach vorn und spie einen enormen orangeroten Feuerstrahl aus. Er fuhr herum und machte einen Satz zur Seite, kauerte sich zusammen, sprang wieder und stürzte schreiend auf die Hunde zu. »Ihr kriegt mich nicht! Versucht es doch!« Dann jagte er mit allen sieben sabbernden Hunden im Gefolge davon.
»Feuer und Flamme!«, sagte Artus. »Ich hatte schon gedacht, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Guter alter Adolphus.« Er lachte erleichtert, klopfte Max auf den Rücken und steckte Excalibur zurück in die Scheide.
Zwischen den Bäumen konnte Max blaugrüne Drachenschuppen aufblitzen sehen. Dahinter folgten schwarze Schatten. Die Hunde gaben ihr Bestes, aber Adolphus hatte Flügel und war extrem flink. Er umkreiste sie einfach. Einmal sah Max, wie ein Hund auf Adolphus zusprang. Aber der Drache wich aus und der Hund knallte geradewegs gegen einen Baum und stieß sich dabei zwei seiner Köpfe. Max lachte.
»Ich glaube, das geht gut«, sagte er. »Aber wir gehen besser weiter. Wahrscheinlich ist es schon Zeit fürs Abendessen.«
Sie verließen den Wald und schleppten sich einen langen Hügel hinauf. Max konnte sehen, dass die Sonne schon ziemlich tief am Himmel stand. Er begann, sich entsetzliche Sorgen zu machen. Es wurde spät, und es wartete immer noch eine Prüfung auf ihn. Was, wenn er es nicht schaffen würde? Was, wenn alle es schafften außer ihm und es seine Schuld war, wenn sie für immer in Annwn festhingen?
Artus blickte zu ihm herab und legte eine Hand auf seine Schulter.
»Weißt du, Max, ich glaube, für jeden von uns gibt es einen Grund, hier zu sein. Ich glaube, auf jeden wartet eine Prüfung, die zu ihm passt. Wenn du auf deine Herausforderung triffst, wirst du wissen, was zu tun ist.Ich vertraue auf dich.« Artus’ blaue Augen waren fest auf Max gerichtet. Der nickte und schluckte schwer.
Im selben Moment tauchte vor ihnen eine große Festung aus Glas auf. An der Zugbrücke stand eine große Gestalt in einer schwarzen Rüstung und mit einem mächtigen Schwert.
»Das ist aber jetzt wirklich meine«, sagte Artus mit einem Grinsen und zog Excalibur. »Geh weiter, Max. Halt nicht an. Ich werde auf dich warten. Auf dich und Olivia.«
Artus ging langsam auf die Wache der Festung aus Glas zu, die schweigend und mit erhobenem Schwert auf ihn wartete.
Die Sonne stand jetzt noch
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