Drachenzauber
Junge«, gurrte er und küsste mich.
Ich würgte und zuckte, aber der König war sorgfältig, und die Riemen, die mich hielten, gaben nicht nach. Angst erfasste mich, stieg von meinen Füßen bis in meinen Kopf und bewirkte, dass mir schwindlig wurde. Angst vor dem König, Angst vor den Schmerzen, Angst davor, was sie nun Neues tun würden.
Ich hörte, wie Jadeauge etwas sagte, aber ich achtete nicht darauf.
»Eifersüchtig?«, fragte der König und zog sich zurück. »Dummer Junge. Und jetzt hol mir diesen Beutel auf dem obersten Regal - nein, nicht diesen. Den kleinen. Danke.«
Ich konnte den Beutel nicht sehen, weil mein Kopf festgebunden war. Und der König hatte sich zurückgelehnt, sodass ich ihn auch nicht hören konnte; ich spürte nur die federleichte Berührung seiner Finger an meiner Stirn.
»Wusstet Ihr, dass Hurog in altem Shavig Drache bedeutet?«, fragte der König. Mein Magen zog sich zu einem weiteren Knoten zusammen. »Was glaubt Ihr wohl, weshalb das so ist?«
Ich sagte nichts, aber Jadeauge antwortete: »Ich nehme an, weil die Drachen, als es noch welche gab, in der Nähe von Hurog nisteten.«
»Mmm«, sagte der König. »Es gibt Geschichten über Hurog. Es heißt, die Drachen wurden von einem magischen Stein angezogen, der tief im Herzen von Hurog begraben liegt.«
Das Einzige, was ich tief im Herzen von Hurog gefunden hatte, waren die Knochen eines Drachen gewesen, und darum hatte ich mich gekümmert, als ich eben diese Knochen hernahm, um die kranke Erde zu heilen.
»Das habe ich auch schon gehört«, sagte Jadeauge.
»Als ich den Hurogmeten danach fragte - den echten Hurogmeten, den Vater von diesem hier -, lachte er nur und sagte, es gäbe nichts in Hurog, was einen Drachen anziehen würde. Ich bin seitdem zu dem Schluss gekommen, dass er recht hatte - aber in alten Geschichten liegt dennoch oft ein Körnchen Wahrheit. Vor ein paar Jahren, während Renovierungsar-beiten hier im Schloss in Estian, stieß mein Steinmetz, möge seine Seele Ruhe finden, auf etwas Seltsames. Er zeigte es mir, kurz bevor er starb.«
So gebrochen ich war, fragte ich mich doch, wieso Jakoven es für nötig hielt, Jadeauge daran zu erinnern, dass er jeden töten konnte, den er wollte.
Vielleicht, dachte ich und konnte zum ersten Mal Tostens frühere Neigung zum Selbstmord nachfüh-len, vielleicht wird Jakoven mich ja auch umbringen.
Aber ich glaubte es nicht wirklich, ich hoffte es nur.
Ich hörte Tuch rascheln. Jadeauge keuchte, und ein kalter Nebel dunkler Magie kroch durch meine Haut und besudelte mich von innen und außen.
»Ich habe es hier in diesem besonderen Beutel aufbewahrt, damit niemand je neugierig darauf wurde - dir ist vielleicht aufgefallen, wie schwer es dir fiel, ihn zu finden, selbst nachdem ich darauf gezeigt hatte. Erkennst du, was es ist?«
»Nein, Sire«, sagte Jadeauge mit vor Angst oder Aufregung belegter Stimme. »Es ist sehr alt - und machtvoll.«
»Was ist mit Euch, Junge?«
Eine Hand erschien in meinem Blickfeld und zeigte mir einen bronzenen Stabkopf. Magier schmück-ten ihre Stäbe oft mit kunstvollen Metallskulpturen, aber das waren für gewöhnlich nichts als teure, mit Edelsteinen und Glasperlen besetzte Spielzeuge. Das hier sah nicht einmal beeindruckend aus, es war nur das primitive Abbild eines Drachen, der einen kleinen Edelstein im offenen Maul trug. Auf eine Körperlänge Abstand hätte niemand den matten, wolki-gen Stein von Erbsengröße auch nur bemerkt, und noch weniger, dass er zwischen den Kiefern des Drachen schwebte, ohne das Metall irgendwo zu berühren. Und einer, der nicht zur Magie geboren war, hätte auch nicht diese schwarze Macht spüren können, die von dem Stein ausging. Ich konnte die Welle von Elend beinahe sehen, die mich wie dicker Sirup überzog.
Ich wusste, was es war, wenn auch nicht, wie es überlebt hatte. Jeder, der je die Geschichte vom Sturz des Kaiserreichs gehört hatte, hätte es erkannt. Jadeauge hatte offenbar nichts für Musik oder alte Geschichten übrig.
»Sagt ihm, was es ist, Ward, wenn Ihr es wisst.«
Ich brauchte Jakoven nicht zu sehen, um das Lächeln in seiner Stimme zu hören.
Wenn meine Kehle sich nicht vom Schreien geschlossen hätte, hätte ich gehorcht. Aber wenn meine Kehle nicht schon vom Schreien geschlossen gewesen wäre, hätte sie sich jetzt vielleicht vor Angst zu-sammengezogen. Nicht von der namenlosen Angst um mich selbst, die mich vor ein paar Augenblicken noch so erschüttert hatte, sondern vor
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