Dracula II
Rostfilm angesetzt hatten, wobei Marek plötzlich etwas auffiel und er sich darüber ärgerte, daß es ihm nicht schon früher ins Auge gestochen war.
An einigen Sprossen entdeckte er blanke Stellen. Dort war der Rost verschwunden, und bestimmt nicht, weil jemand erschienen war und sie heimlich geputzt hatte. Seiner Ansicht nach mußte jemand in die Höhe gestiegen sein.
Also hatte der Abt heimlich diesen Weg genommen. Marek verstand ihn immer weniger. Weshalb hatte er das getan? Wollte er sich der Brut allein stellen? Hatte ihn sein schlechtes Gewissen geplagt, daß er als einziger dem Grauen entwischt war?
Den endgültigen Beweis für seine Annahme bekam Frantisek, als er den Felsboden ableuchtete und die Rostpartikel sah, die sich dort verteilt hatten. Beinahe senkrecht waren sie hinab in die Tiefe gefallen. Wenn Askin den Weg geschafft hatte, mußte er ihn auch packen. Marek klemmte den Bogen schräg über seine Schultern, drückte noch einmal die restlichen elf Pfeile tiefer in den Köcher und fühlte auch nach, ob sein Eichenpflock fest genug saß.
Er war mit allem zufrieden. Jetzt brauchte er nur den Aufstieg gut hinter sich bringen.
Das war nicht einfach.
Er brauchte schon Kraft, hielt sich an den Sprossen fest, eine erste Probe, die einigermaßen günstig ausfiel. Zwar bog sich das Metall durch, aber das Eisen blieb in der Felswand. Wer immer sie hineingeschlagen hatte, konnte sich für seine Arbeit beglückwünschen. Marek ärgerte sich darüber, daß seine Gelenkigkeit im Laufe der Jahre gelitten hatte. Das heißt, er hatte nie zu den guten Turnern gezählt, aber das Einrosten der Knochen gefiel ihm überhaupt nicht. Ziemlich mühsam stieg er in die Höhe, immer darauf wartend, daß einer der Griffe sich letztendlich noch löste.
Marek hatte Glück. Höher und höher kam er, nur dehnte sich dabei die Zeit wie Kaugummi.
Seinem Gefühl nach auf halber Strecke streifte etwas über sein Gesicht. Zunächst maß er dieser Tatsache kaum Bedeutung bei, bis ihm klar wurde, daß es ein Luftzug gewesen war, und daß dieser Luftzug ihn von oben berührt hatte.
Dann war es dort frei?
Der Pfähler merkte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Auf deine alten Tage wirst du noch nervös, dachte er. Verdammt noch mal, das kann doch nicht wahr sein.
Wer immer diesen Weg auch genommen haben mochte, er hatte die Luke oder Klappe an seinem Ende nicht geschlossen, und der von oben herabwehende Hauch war so kalt, als käme er direkt aus einer Gruft. In gewissen gruftartigen Kellern endete der Weg ja auch, wie er von Askin erfahren hatte.
Marek war ins Schwitzen gekommen. Immer schärfer pustete er die Luft aus. Die Schauer, die über seinen Rücken wieselten, wechselten sich fast in jeder Sekunde ab.
Er kämpfte sich weiter vor. In den Armen spürte er das Ziehen. Es ging jetzt längst nicht mehr so schnell, die Bewegungen erlahmten, er mußte mehr Pausen einlegen und spürte immer dann, wenn er stehenblieb, daß die Sprossen manchmal unter seinem Gewicht nachgaben. Das war für ihn dann der Ansporn, es wieder zu versuchen und weiterzumachen. Nur nicht aufgeben, nur nicht schlapp werden.
Eine Pause legte er noch ein. Dabei hangelte er nach seiner Lampe und ging das Risiko einfach ein. Er schickte den Strahl in die Höhe. Fast hätte er geschrien. Die offene Luke befand sich zum Greifen. Nur sechs Sprossen mußte er zurücklegen, um den Schacht endgültig verlassen zu können, wo dann ein Kellergewölbe auf ihn wartete. Der Anblick hatte ihm die nötige Kraft verliehen. Beinahe schon leichtfüßig ließ er den letzten Rest der Strecke zurück, machte aber nicht den Fehler, durch die Luke zu schnellen, sondern schob sich auf den letzten halben Meter behutsam in die Höhe, um einen Blick über den Rand werfen zu können.
Finsternis begegnete ihm. Er konnte überhaupt nichts erkennen, wagte auch nicht, seine Lampe einzuschalten, sondern würgte seinen Körper förmlich über den Rand hinweg, rollte noch ein Stück weiter und blieb auf dem Rücken liegen.
Marek war völlig fertig. Er fühlte sich erledigt, ausgebrannt und leergepumpt. Die Augen hielt er weit offen, ohne allerdings auch nur die Decke über ihm ahnen zu können. Er starrte ins Leere, hielt den Mund weit offen und atmete laut und keuchend.
Wenn jetzt ein Blutsauger erschien, hatte er mit dem Pfähler leichte Beute.
Er kam nicht. Marek konnte sich ausruhen, nur das Stechen in seiner Brust ließ nicht nach. Immer wieder rang er heftig nach Atem, die
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