Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
stehen wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verfügung. Und, was vielleicht am wichtigsten ist, wir
haben uns selbstlos dieser Sache verschrieben, die keine bösen oder selbstsüchtigen Zwecke verfolgt. Allein aus diese Grunde
glaube ich, dass wir Erfolg haben werden, denn Gott steht auf unserer Seite. Nun müssen wir unseren Feldzugsplan entwickeln
und das Ungeheuer finden und zerstören. Ich schlage vor, wir beginnen mit den Erdkisten des Grafen. Sobald wir uns vergewissert
haben, wie viele dieser Kisten sich noch in jenem Haus hinter der Mauer befinden …«
Da hörte man plötzlich von draußen einen Pistolenschuss und das Zersplittern von Glas. Eines der Fensterscheiben im Studierzimmer
war zerschmettert. Ich schrie laut. Die Männer sprangen auf. Lord Godalming riss das getroffene Fenster auf.
»Entschuldigen Sie!«, hörten wir von außen Herrn Morris’ Stimme. »Geht es allen gut?« Als Lord Godalming das bejahte, rief
Herr Morris: »Ich komme gleich herein und berichte Ihnen.« Im nächsten Augenblick trat er ein und erklärte: »Ich fürchte,
ich habe Sie erschreckt. Aber während Sie |265| redeten, Herr Professor, sah ich eine große Fledermaus, die auf der Fensterbrüstung landete.«
»Eine Fledermaus!«, rief Dr. van Helsing.
»Eine sehr große Fledermaus. Ich habe einen solchen Abscheu vor diesen Tieren und dachte, es könnte Dracula selbst sein. Also
musste ich hinaus und einen Schuss darauf abfeuern.«
»Es muss der Graf gewesen sein!«, antwortete Dr. van Helsing. »Zweifellos hat er uns belauscht. Haben Sie die Fledermaus getroffen?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, denn sie flatterte davon, auf den Wald zu.«
»Hier ist die Kugel, sie steckt in der Wand«, stellte Jonathan fest.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte Herr Morris mit schamrotem Gesicht. »Das war idiotisch von mir. Ich hätte leicht jemanden
töten können.«
»Aber die Fledermaus hätten Sie nicht getötet«, erklärte der Professor feierlich. »Eine Kugel hätte sie verletzt, und es wäre
Blut geflossen, aber gestorben wäre sie nicht. Denn das Wesen, das von der Fledermaus Besitz ergriffen hat, ist ja ein Untoter.«
Als wir uns alle nach dem Vorfall beruhigt und wieder hingesetzt hatten, kehrte Dr. van Helsing zum Thema zurück. Seiner Meinung
nach wäre es jetzt das Beste, den Grafen Dracula während des hellen Tages zu fangen oder zu vernichten, wenn er Menschengestalt
angenommen hatte und am schwächsten ist. »Wenn wir Glück haben, finden wir ihn morgen in seinem Versteck im Nachbarhaus.«
»Ich schlage vor, wir besichtigen jetzt gleich das Haus da drüben«, sagte Herr Morris.
»Nein«, erwiderte der Professor. »Das ist zu gefährlich. Bei Nacht sind seine Kräfte zu groß. Und wenn diese Fledermaus wirklich
Graf Dracula war, dann weiß er, dass wir seine Vernichtung planen.«
|266| »Aber ein Zeitgewinn ist hier alles«, warf Dr. Seward ein. »Wenn wir rasch handeln, vermögen wir ihm vielleicht noch einige
Opfer zu entreißen.«
»Professor«, fügte Jonathan hinzu, »Sie haben gesagt, wenn wir seine Erde mit einem geheiligten Gegenstand sterilisieren,
wird sie für ihn wohl nutzlos. Das stimmt doch?«
»Das ist richtig, Freund Jonathan.«
»Dann sage ich, gehen wir jetzt gleich hinüber, noch heute Nacht, und machen alle Kisten unbrauchbar, die wir finden können.
Wenn wir dem Ungeheuer begegnen, dann soll es so sein. Wir nehmen es mit ihm auf.«
»Hört, hört«, antworteten alle Männer bis auf den Professor.
Nach einer Weile meinte Dr. van Helsing mit leichtem Stirnrunzeln: »Ich beuge mich der Mehrheit, aber unter einer Bedingung:
dass wir Frau Mina zurücklassen. Sie ist uns viel zu kostbar, als dass wir sie einer solchen Gefahr aussetzen möchten. Und
wir sehen einer großen Gefahr entgegen.«
Ich protestierte gegen diese ritterliche Haltung und bestand darauf, mich ihnen anzuschließen, da zahlenmäßige Stärke in diesem
Falle die größte Sicherheit bedeutete. Doch der Professor blieb fest bei seiner Meinung. Alle Männer stimmten mit ihm überein
und schienen erleichtert.
»Du musst heute Nacht zu Hause bleiben, Mina«, beharrte Jonathan und drückte mir die Hand. »Wir werden alle umso freier handeln,
je weiter wir dich von der Gefahr entfernt wissen.«
Nun verbrachte die Gruppe noch einige Stunden mit Gesprächen über ihre Angriffsmethode und trug die notwendigen Dinge für
ihre Unternehmung zusammen, das heißt Werkzeuge, Waffen, Dietriche,
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