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Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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»Herr Wagner« und ich miteinander erlebt hatten, war das etwa
     nur Teil eines unfassbaren, hinterhältigen Plans? War er gekommen, um mich umzubringen?
    Wenn das stimmte, dann war ich ihm schutzlos ausgeliefert. Ich trug nichts als ein dünnes weißes Nachthemd und befand mich
     in einem Haus, in dem sich sonst nur eingesperrte Irre und ein paar Bedienstete in einem separaten Flügel aufhielten. Ich
     war untröstlich und gleichzeitig verwirrt, verängstigt und benommen.
    »Wie das?«, flüsterte ich. »Wie kann das sein? Jonathan sagte, Graf Dracula sei ein alter Mann, und Sie sind …«
    »Als ich Ihren Herrn Harker in Transsilvanien kennenlernte, nahm ich die Gestalt an, in der ich mich den Einwohnern |272| dort zeige. Ich hatte auch sehr lange keine Nahrung mehr zu mir genommen. Die Bauern in ihrem ängstlichen Aberglauben achten
     sorgsam darauf, sich und ihr Vieh vor mir zu schützen.«
    »Dann stimmt es also?«, rief ich entsetzt. »Sie sind nur nach England gekommen, um sich an unseren wehrlosen Landsleuten gütlich
     zu tun, sie zu ermorden und mehr Geschöpfe ihresgleichen zu schaffen?«
    Er stöhnte voller Enttäuschung und Abscheu auf. Nun lag so viel Zorn in seinem Blick, dass ich fürchtete, er würde quer durch
     das Zimmer eilen, sich auf mich stürzen und mich auf der Stelle töten. »Das hat Ihnen also Ihr hochverehrter Professor van
     Helsing über mich erzählt? Ich hätte es mir denken können, als ich vorhin Ihre Pläne belauschte. Welchen Irrglauben doch die
     Menschheit in ihrer Unwissenheit hervorbringt! Mina, können Sie sich wirklich vorstellen, dass ich unschuldige Londoner Bürger
     ermordet habe? Hat es etwa Berichte in den Zeitungen darüber gegeben? Die Morde, die
Jack the Ripper
begangen hat, sind allen noch so deutlich im Gedächtnis. Meinen Sie da nicht, dass es jemand bemerkt hätte, wenn nachts Menschen
     tot und mit Bisswunden am Hals in den Gassen gelegen hätten?«
    Mühsam brachte ich hervor: »Nun, ich denke, ja. Aber …«
    »Ich kenne den Ruf Ihres Professors.« Dracula schien aufs äußerste angespannt und konnte seine Wut nur mühsam im Zaum halten,
     während er im Raum auf und ab schritt. »Er hält sich für einen großen Vampirexperten, wenn er auch meines Wissens niemals
     einen Vampir gesehen, geschweige denn getötet hat, jedenfalls nicht bis gestern auf dem Friedhof in Hampstead. Welche anderen
     Lügen hat dieser ›Experte‹ Ihnen sonst noch über mich erzählt? Ich habe kaum Interesse daran, Wesen meinesgleichen zu schaffen,
     Mina. Die anderen Vampire, denen ich bisher begegnet bin oder die ich kenne, sind zumeist widerwärtige Wesen, mit denen ich
     außer dem Durst auf Blut nicht das Geringste gemein habe. Es läge mir |273| fern, mir zu wünschen, dass die Erde mit noch mehr Geschöpfen ihresgleichen bevölkert wird.«
    »Warum sind Sie dann hier?«
    »Ich habe Transsilvanien verlassen, weil ich über viele Jahrhunderte in der Finsternis allein für mich lebte und von Menschen
     umgeben war, die mich hassten und fürchteten. Ich sehnte mich danach, wieder im Licht und in der weiten Welt zu weilen, mich
     unter interessanten, tatkräftigen, gebildeten Menschen aufzuhalten, die etwas schafften. Ich wollte die Freuden der Kultur
     genießen und mich an den Wundern der Naturwissenschaft und Technik erfreuen, von denen ich in der Ferne nur gelesen hatte.
     Natürlich kann ich nicht von der Hand weisen, dass diese großartige Stadt mir auch vielfältige Möglichkeiten der Nahrungsbeschaffung
     bietet. Ich überlebe, wie ich eben muss, wie es jeder machen würde. Das ist ein Naturgesetz. In Wahrheit sind meine Ernährungsgewohnheiten
     nicht allzu verschieden von den ihren, Mina: Blut für mich, ein gebratener Vogel oder ein anderes Tier für Sie.«
    »Das ist etwas völlig anderes! Das ist wie der Unterschied zwischen Gut und Böse!«
    »Ach ja? Wenn es so ist, dann steht meiner Meinung nach aber Ihr gebratener Vogel für das Böse. Denn ich töte selten, um mich
     zu ernähren. Ich habe derlei nicht nötig. Mir ist Menschenblut am liebsten, aber wenn es nötig ist, kann es auch Tierblut
     sein. Gewöhnlich trinke ich nur kleine Mengen, die der menschliche Organismus leicht ersetzen kann. Mit der Zeit verheilen
     die Wunden, und das Geschöpf geht unbeeinträchtigt seines Wegs. Zudem erinnert sich dank meiner Suggestionskraft selten jemand
     daran.«
    Abgrundtiefer Hass wallte in mir auf. »Lucy ist nicht unbeeinträchtigt ihres Wegs gegangen! Sie haben sie

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