Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
gewesen,
und ich war voller Dankbarkeit, weil er am Tag zuvor unser Leben gerettet hatte. Doch trotzdem beunruhigte mich der Gedanke,
dass jenes wilde Geschöpf, das ich gesehen hatte, der Mann war, den ich liebte. Und die Leiche dieser Unglückseligen erinnerte
mich daran, dass seine Angriffe tödlich sein konnten.
Wir kamen zu der unbefestigten Straße und folgten ihr in östlicher Richtung. Kaum waren wir eine halbe Meile gegangen, als
ich sehr müde wurde und mich auf einen Felsbrocken setzen musste. Ich hörte Nicolaes Stimme, die mich auf ein hohes Felsplateau
hinwies, das oberhalb der Straße am Hang lag und wo wir den Elementen nicht so ausgesetzt wären. Er wollte, dass wir dort
warteten und die Ereignisse verfolgten. Ich machte Dr. van Helsing vorsichtig diesen Vorschlag und vermittelte ihm den Eindruck,
dass er selbst den Rastplatz ausgesucht hatte: eine Art natürliche Höhle mit einem torartigen Eingang zwischen zwei großen
Felsbrocken.
»Sehen Sie!«, sagte der Professor, ergriff mich bei der Hand und zog mich in die Höhle. »Hier sind Sie vollkommen geschützt;
und wenn die Wölfe kommen sollten, so können wir mit ihnen, einem nach dem anderen, abrechnen.«
»Wichtiger ist doch, dass es ein hervorragender Aussichtspunkt |480| ist«, erwiderte ich und schaute auf das herrliche Tal, das sich unter uns erstreckte. »Wir können meilenweit sehen.«
Die Aussicht war atemberaubend. Die Straße unter uns schlängelte sich hin und her über die steilen, bewaldeten Hügel und überquerte
dann ein gewundenes waldreiches Tal. Weit draußen wand sich der Fluss wie ein dunkles Band in Schleifen und Krümmungen. Dahinter
ragten vor der untergehenden Sonne ringsum hohe Berge auf. Wenn ich mich umdrehte, konnte ich Draculas Burg auf dem Felsen
sehen, die sich als scharfe Silhouette vor dem Himmel abzeichnete.
Versprich mir, dass du diesen Ort nicht verlassen wirst, Mina
, befahl mir Dracula in meinen Gedanken.
Das werde ich tun, wenn du mir versprichst, dass niemandem etwas geschieht.
Ich habe es dir schon gesagt: Von meiner Hand wird deinen Männern nichts zustoßen, aber das ist alles, was ich dir schwören
kann.
Was meinst du? ,
dachte ich erschrocken.
Die Zigeuner haben sich einverstanden erklärt, deine Engländer am Leben zu lassen, es sei denn, sie müssen sich verteidigen.
Aber sie sind Zigeuner und alle bewaffnet. Die Handlungen so vieler Menschen kann ich nicht vorhersagen.
Diese Nachricht erfüllte mich mit unaussprechlicher Furcht.
Wo bist du jetzt? Wo ist Jonathan?
Schau hin.
In der Ferne meinte ich eine Bewegung zwischen den Bäumen auszumachen. »Herr Professor, wo ist Ihr Feldstecher?«
Dr. van Helsing nahm sein Fernglas aus dem Koffer und suchte den Horizont ab. »Da! Frau Mina, sehen Sie!«, rief er plötzlich,
während er mir das Glas reichte und aus der Höhle hinaus deutete.
Mit Hilfe des Fernstechers konnte ich eine Gruppe berittener Männer erkennen, die ein wenig unterhalb von uns eine Straßenbiegung
umrundeten und in unsere Richtung kamen. Ihre Kleidung wies sie als Zigeuner aus. Es mussten die Männer |481| sein, von denen Dracula gesprochen hatte. In ihrer Mitte hatten sie einen langen Leiterwagen, der auf der unebenen Straße
von einer Seite zur anderen schwankte. Auf dem Wagen befand sich eine große, viereckige Kiste, ähnlich derjenigen, die in
Draculas Kapelle in Carfax gestanden hatte.
Aufgeregt sagte der Professor: »Sehen Sie, Frau Mina? Es ist genau die Kiste, die wir seit dem Tag verfolgen, an dem sie den
Londoner Hafen verlassen hat. Das schreckliche Wesen, das wir suchen, ist hier gefangen!«
Dr. van Helsing konnte keinerlei Verdacht hegen, dass die Begegnung, die wir nun miterleben würden, eigens für ihn inszeniert
war. Mit einem hatte er jedoch recht: Dracula befand sich in der Kiste. Mein Puls raste, als ich in die untergehende, aber
immer noch sichtbare Sonne starrte. Nicolae hatte gesagt, dass er im Vollbesitz seiner Kräfte sein musste, weil sonst seine
List fehlschlagen würde – und es war immer noch heller Tag!
Mir stellten sich die Nackenhaare auf, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, alles schon einmal erlebt zu haben. Diese Szene
erinnerte mich an den Traum, den ich vor einigen Wochen gehabt hatte, den Traum, in dem es zu einer schrecklichen Schlacht
gekommen war, in deren Verlauf einer der fünf Männer getötet wurde. »O nein!«, entfuhr es mir leise.
Voller Angst kehrte ich zum Professor
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