Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
sollen?«
»Ja.«
»Aber du bist doch so krank und immer noch bettlägerig.«
»Ich weiß. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, Liebste, seit die Schwester mir dein Telegramm gebracht hat und ich wusste,
dass du herkommst. Man sagt, ich müsste noch einige Wochen hierbleiben. Herr Hawkins hat mir Geld geschickt, aber es wird
nicht ausreichen, um einen langen Hotelaufenthalt für dich zu bezahlen, Mina, oder ein gesondertes Zimmer hier im Sanatorium.
Um der Schicklichkeit willen sollten wir sofort heiraten. Dann können wir uns dieses Zimmer hier teilen. Schwester Agatha
hat gesagt, dass sie den Geistlichen der britischen Gesandtschaft herbestellen kann, der zweifellos bereits morgen die Trauung
vollziehen könnte.«
»Morgen?«
Tiefe Enttäuschung überkam mich. Ich begriff natürlich die Logik seiner Worte, denn ich hatte mir während der Anreise ähnliche
Gedanken über Unkosten und Schicklichkeit gemacht. Selbst der alte Herr Hawkins hatte in seinem Brief angedeutet, dass es
nicht schlecht wäre, wenn wir gleich hier heiraten würden. Jedoch hatte ich nicht erwartet, dass es so schnell geschehen würde.
Und wenn ich mir die Zeremonie vorgestellt hatte, nicht in meinem verzückten Traum in der |125| Eisenbahn, sondern im wachen Zustand, dann hatte ich immer vor meinem inneren Auge gesehen, dass sie in einer idyllischen
alten Kirche stattfand und dass Jonathan neben mir stand. Niemals hätte ich mir ausgemalt, dass meine Trauung in einem Krankenzimmer
vollzogen würde, am Bett eines Mannes, der noch zu gebrechlich und krank war, um aufrecht zu stehen.
»Mir ist klar«, sagte Jonathan, »dass die Umstände nicht so sind, wie du sie dir für deine Hochzeit gewünscht hättest, aber
…«
»Nein, nein, du hast wirklich recht. Wir sollten nicht mehr länger warten.« Ich lächelte bemüht und warf Jonathan den liebevollsten
Blick zu, den ich mir abringen konnte. »Ich heirate dich nur zu gern, Jonathan Harker, und wann immer du es für das Beste
hältst.«
Jene Nacht verbrachte ich in einem leerstehenden Zimmer, das die Schwestern mir freundlicherweise zur Verfügung stellten.
Als Jonathan am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich ihm mitteilen, dass alle Vorbereitungen für unsere Hochzeit bereits
getroffen waren.
Er lächelte und sagte: »Meine Liebste, würdest du mir meinen Mantel geben? Ich brauche ihn.«
Ich hielt das für eine seltsame Bitte, da er doch bettlägerig war, bat jedoch Schwester Agatha, mir den Mantel zu bringen.
Sie kam schon bald zurück und sagte: »Hier sind all seine Habseligkeiten.«
»All seine Habseligkeiten?« Ich schaute sie überrascht an, als ich die Gegenstände erblickte, die sie auf das Bett gelegt
hatte. Es waren nur eine Garnitur Kleidung und ein Notizbuch.
»Das ist alles, was er bei sich hatte, als er hier ankam«, antwortete sie, ehe sie das Zimmer wieder verließ.
Jonathan war mit einem Schrankkoffer voller Kleidung von zu Hause losgefahren, darunter waren sein bester Anzug und Hut gewesen,
die nun fehlten. Auch seine Brieftasche war |126| fort, und wohl auch alles Geld, das sie vielleicht enthalten hatte, und die Photographie von mir, von der ich wusste, dass
er sie stets bei sich trug. Was, überlegte ich, war aus all dem geworden? Aber ich hatte ihm versprochen, keine Fragen zu
stellen. So stand ich nur schweigend da, als Jonathan in die Manteltasche griff und eine winzige Schachtel herauszog. Mit
einem sanften Lächeln reichte er mir das Kästchen.
»Ich weiß, wie sehr du dir einen Ehering gewünscht hast, meine Liebe, und ich wollte nicht, dass du ohne diesen Ring heiraten
solltest. Also habe ich Schwester Agatha gebeten, eine kleine Besorgung zu machen, ehe du angekommen bist. Ich hoffe, dass
er dir gefällt.«
Erstaunt klappte ich das Kästchen auf. Auf einem blauen Samtbett prangte darin ein massiver goldener Ehering, in den ein elegantes
Muster graviert war. »Oh! Er ist wunderschön! Aber Jonathan, wie konntest du dir nur ein solches Stück leisten? Sag nicht,
dass du das Geld, das dir Herr Harker für deinen Krankenhausaufenthalt geschickt hat, für diesen Ring ausgegeben hast!«
»Nein, das habe ich nicht«, erwiderte er mit einem rätselhaften Lächeln. »Ich hatte eine andere Quelle. Zum Glück war ich
vor Monaten geistesgegenwärtig genug, dich nach deiner Ringgröße zu fragen. Bitte, probiere ihn an.«
Er passte perfekt und sah an meiner Hand wunderhübsch aus. »Anscheinend willst du mir
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