Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
weiß, dass dies |129| nicht die Hochzeit ist, die du dir erträumt hast, Mina, aber ich hoffe, dass ich es dir eines Tages vergelten kann.«
»Ich heirate dich, mein Liebster, und nur darauf kommt es an«, erwiderte ich aufrichtig.
Ich war mir der Verantwortung bewusst, die ich auf mich nahm: Ich würde Jonathans Frau werden. Ich würde die Seine werden,
und nur die Seine, für mein ganzes restliches Leben. Das wollte ich, und ich war glücklich. Und doch stellte ich, während
der Geistliche die Trauung vollzog, fest, dass meine Gedanken an einen anderen Ort und zu einer anderen Zeit schweiften: zu
der Tanzfläche des Pavillons in Whitby und zu den glückseligen Stunden, die ich dort in Herrn Wagners Armen verbracht hatte.
Ich erinnerte mich daran, wie lebendig ich mich in seiner Gesellschaft gefühlt hatte und wie herrlich es gewesen war, seine
bewundernden Blicke auf mir zu spüren. Wie, fragte ich mich, wäre es, neben ihm am Altar zu stehen und seine Braut zu sein?
Bei diesem Gedanken ergriffen mich solch schreckliche Schuldgefühle, dass es mir den Hals zuschnürte und mein Gesicht sich
mit einer heftigen Röte überzog.
Ich schrak aus meinen Träumen auf und hörte den Geistlichen sagen: »Willst du, Jonathan Harker, diese Frau zu deiner angetrauten
Ehefrau nehmen und sie lieben und ehren, vom heutigen Tage an, bis dass der Tod euch scheidet?«
»Ja«, antwortete Jonathan mit fester, starker Stimme.
Als ich an der Reihe war, diese Frage zu beantworten, schien es mir, als wollte mir sogar dieses eine kleine Wort im Halse
steckenbleiben, obwohl ich es bereitwillig aussprach. Der Geistliche erklärte uns zu Mann und Frau. Jonathan zog mich mit
seinen schwachen Händen an sich und küsste mich. Es war ein langer, süßer Kuss.
Nachdem der Geistliche und die Schwester gegangen waren, nahm mein Ehemann meine Hand in die seine, küsste sie und sagte:
»Dies ist das erste Mal, dass ich die Hand meiner Ehefrau ergreife, und sie ist mir das Allerliebste auf der |130| ganzen Welt. Um diese Hand zu gewinnen, würde ich gerne noch einmal all das Vergangene durchmachen, wenn es nötig sein sollte.«
Als mir meine Stimme wieder gehorchte, versicherte ich ihm, dass ich die glücklichste Frau auf der Welt sei.
An jenem Tag schrieb ich einen langen Brief an Lucy, denn ich wusste, dass sie begierig darauf sein würde, zu erfahren, was
geschehen war, seit wir uns am Bahnhof von Whitby voneinander verabschiedet hatten. Ich schüttete ihr mein Herz über Jonathans
Gesundheitszustand aus, teilte ihr alle Einzelheiten unserer Hochzeit mit und gab meinem aufrichtigen Wunsch Ausdruck, sie
möge in ihrer bevorstehenden Ehe ebenfalls glücklich werden.
Die Schwestern brachten ein Feldbett in Jonathans Zimmer, und dort schlief ich in jener Nacht und jede Nacht in den folgenden
zwei Wochen. Mir war bewusst, dass meine Hochzeitsnacht, die Nacht der Nächte, die stets als ein so großes und wundersames
Rätsel bezeichnet wird, warten müsste, bis Jonathan wieder bei voller Gesundheit war und wir diesen heiligen Ort verlassen
hatten, wo die guten Schwestern so gewissenhaft Tag und Nacht über ihn wachten.
Zwei Wochen lang war ich Jonathans Krankenpflegerin und Gesellschafterin. Ich rasierte ihn jeden Morgen und ließ eines Nachmittags
einen Barbier kommen, der ihm das Haar schnitt. Einmal fuhr ich, während er schlummerte, mit der Kutsche nach Budapest hinein.
Was für eine wunderbare Stadt das war, in mancherlei Hinsicht so anders als London, mit einer Vielzahl ungewöhnlicher Anblicke
und Gerüche! Wie sehr gefielen mir seine riesige Burg, seine alten, eindrucksvollen Gebäude, viele mit wunderschönen Türmen
geziert! Ich spazierte über die baumbestandenen Plätze und über die Donaubrücken, die die Städte Buda und Pest miteinander
verbinden.
Ich stattete Budapest jedoch nur diesen einen Besuch ab, weil ich lieber an Jonathans Seite bleiben wollte, um darauf |131| zu achten, dass er ja ordentlich aß, um ihn aufzumuntern und dafür zu sorgen, dass er langsam seine Kräfte wiedergewann. Zunächst
fing er mit kurzen Spaziergängen über den Korridor an, dann schob ich ihn im Rollstuhl durch den Park des Sanatoriums, bis
er schließlich endlich aus eigener Kraft über das Gelände laufen konnte.
Als der Arzt ihn entließ, verabschiedeten wir uns unter Tränen von den gütigen Schwestern und dankten ihnen vielmals für alles,
was sie für uns getan hatten. Jonathan hatte für
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