Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
Zusammenhang stehen muss.«
Dr. van Helsings Augen weiteten sich, und er erwiderte erregt: »Dies alles ist in London geschehen? Wen hat er dort gesehen?
Woran hat er sich erinnert?«
Erneut schossen mir Tränen in die Augen. Die entsetzlichen Schrecken, die Jonathan in Transsilvanien durchlitten hatte, das
ganze furchtbare Geheimnis seines Tagebuchs und die Sorge, die brütend auf mir gelastet hatte, seit ich es gelesen hatte,
alles kam in einem plötzlichen Sturm der Gefühle über mich. »O Dr. van Helsing, ich fürchte mich beinahe, es Ihnen zu erzählen.
Wenn Sie wüssten, was mein armer Jonathan zu erleiden hatte! Aber Sie haben vorhin erklärt, dass Sie das menschliche Gehirn
studiert haben. Ich flehe Sie an: Wenn ich Ihnen auf irgendeine Weise zu Diensten sein konnte, würden Sie es über sich bringen,
meinem Ehemann zu helfen und ihn wieder gesund zu machen?«
Dr. van Helsing hielt meine Hände in den seinen und versicherte mir mit großer Güte in der Stimme, er sei der Überzeugung,
dass Jonathans Leiden im Bereich seiner Studien |185| und Erfahrungen läge. Er versprach, alles zu tun, was er konnte, um meinem Mann zu helfen. »Aber Sie sehen zu bleich und aufgeregt
aus, um jetzt fortzufahren. Wir reden nicht mehr über diese Angelegenheit, bis wir gegessen haben. Danach können Sie mir alles
berichten.«
Beim Lunch lenkte Dr. van Helsing das Gespräch bewusst auf andere Themen, und mit der Zeit fasste ich mich wieder. Er sprach
nicht viel über sich selbst, erzählte nur, dass er in Amsterdam allein lebte und viel reiste. Er schien ein sehr einsames
und so arbeitsames Leben zu führen, dass ihm wenig Zeit für Freundschaften blieb.
Später, als wir in den Salon zurückgekehrt waren, sagte Dr. van Helsing freundlich zu mir: »Nun erzählen Sie mir alles über
Ihren Jonathan.«
»Herr Doktor«, antwortete ich nach einigem Zögern, »das, was ich Ihnen zu sagen habe, ist so seltsam, dass ich Sie bitten
muss, nicht über mich oder meinen Gatten zu lachen. Sie könnten mich für eine furchtsame Törin und meinen Mann für einen Narren
halten. Seit gestern bin ich in einem geradezu fieberhaften Zustand des Zweifels und könnte einige seltsame Dinge beinahe
für wahr halten.«
»O meine Liebe, wenn Sie eine Ahnung hätten, wie seltsam die Sache ist, wegen der ich zu Ihnen komme, wäre das Lachen an Ihnen.
Die gewöhnlichen Vorkommnisse des Lebens vermögen den Verstand ja nicht zu verwirren, vielmehr sind es die seltsamen, außerordentlichen
Dinge, die einen in Zweifel setzen, ob man bei Sinnen oder irre ist. Ich habe mir angewöhnt, nie über eines anderen Glauben
zu lachen, sondern mich stets bemüht, meinen Verstand klar zu erhalten.«
»Danke, Sir, tausend Dank! Sie haben mir eine Zentnerlast vom Herzen genommen.« Ich überlegte noch einen Augenblick und sagte
dann: »Da Sie mein eigenes Tagebuch so aufschlussreich fanden, möchte ich Ihnen – anstatt Ihnen persönlich von Jonathans Leiden
zu berichten – vorschlagen, vielleicht besser selbst davon zu lesen.«
|186| »Davon zu lesen? Sie meinen … Hat Ihr Ehemann auch Tagebuch geführt?«
»Ja. Es ist ein Bericht über alles, was geschehen ist, solange er im Ausland weilte. Er ist länger als mein Tagebuch, aber
ich habe alles mit der Maschine geschrieben. Ich wage nicht, Ihnen davon etwas zu erzählen. Sie müssen es selbst lesen und
sich Ihr Urteil bilden. Und dann sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
Er nahm die Papiere dankend und mit unverhohlener Erregung an und versprach, sie noch am selben Abend zu lesen. »Ich bleibe
heute Nacht in Exeter, Frau Mina, und dann reden wir morgen wieder miteinander. Ich möchte, wenn möglich, auch Ihren Gatten
sehen.«
Dann küsste mir Dr. van Helsing die Hand und ging fort.
Den restlichen Nachmittag verbrachte ich in einem Zustand tiefer Sorge und Erregung.
Am Abend um halb sieben wurde mir durch einen Boten ein Brief übergeben, der meine Laune unverzüglich hob:
Exeter, 25. September, 5 Uhr nachmittags
Sehr geehrte Frau Mina,
ich habe das außergewöhnliche Tagebuch Ihres Gatten gelesen. Lassen Sie alle Zweifel fallen - so seltsam und schrecklich es
ist, es ist die reine Wahrheit, meine Hand drauf! Für andere ist das sehr schlimm, für Jonathan und Sie jedoch besteht kein
Grund zur Furcht, schlafen Sie also wohl! Ihr Gatte ist eine edle Natur. Ich kann Ihnen aufgrund meiner Erfahrungen versichern,
dass jemand, der wie er eine
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