Draculas Darling
sie ständig auf der Hut vor irgendwelchen Feinden.
Die drei Männer verteilten sich an den Seiten des Tisches, so dass der Platz an der anderen Stirnseite frei geblieben war.
Perry Hart hatte mittlerweile seine Haare teilweise verloren. Nur ein paar schwarze Strähnen lagen noch auf seinem Kopf und waren zur Seite gekämmt worden. Er machte stets einen müden Eindruck, was aber täuschte, denn wenn es darauf ankam, konnte er blitzschnell sein. Das hatte er in früheren Zeiten oft genug bewiesen. Er war es, der am liebsten mit dem Messer getötet hatte. Man konnte davon ausgehen, dass sich unter seinem grauen, weit geschnittenen Jackett auch jetzt noch eine Klinge verbarg.
Simon Long war der Größte unter ihnen, allerdings auch der Älteste. Sein Haar war grau geworden. Er hatte es lang wachsen lassen und zu einem Zopf zusammengebunden. Er arbeitete in der Software-Branche und hatte es bis zum Chef einer Abteilung gebracht, in der Innovationen ausprobiert wurden. Er selbst stufte sich als Künstler ein, und er trug Jeans, Wollhemd und Jacke. Sein Gesicht wirkte urlaubsbraun, aber die Falten darin waren nicht zu überdecken. Sie zeichneten die Haut wie ein Muster.
Der jüngste in der Runde war Burt Croft. Einer, der nie auffiel, der in der Masse unterging. Bürstenhaarschnitt, ein Dutzendgesicht und Lippen, die sich kaum von der Haut abhoben. Auch seine Augen wirkten farblos. Er sah immer aus, als stünde er neben sich.
Das allerdings täuschte, denn durch sein harmloses Aussehen hatte er schon zahlreiche Menschen genarrt, die jetzt unter der Erde lagen. Er wirkte noch immer wie jemand, der nicht richtig erwachsen geworden war. Dass er Vater von zwei Kindern war, nahm ihm auch niemand ab.
Thelma Fox übernahm das Wort. Sie hatte diesen exponierten Platz eingenommen und kam sich vor, als sollte sie die drei Männer steuern.
»Es fehlt noch jemand im Kreis!«, erklärte sie.
Keiner gab Antwort.
»He, findet ihr das nicht komisch?«
»Warum?«, fragte Burt Croft. »Es kann immer etwas dazwischenkommen. Amos kann sich verspätet haben. Ein Stau und...«
»Aber nicht er.«
Croft schwieg. Dafür ergriff Simon Long das Wort. Er beugte sich vor und legte seine langen, schmalen, kräftigen Hände zusammen.
»Kann mir einer von euch vielleicht sagen, weshalb wir hier zusammen gekommen sind? Das kommt mir vor wie ein Klassentreffen, bei dem über alte Zeiten gesprochen wird. Nur fehlt hier der Lehrer.« Er schaute in die Runde. »Was hat euch Chapman gesagt?«
»Nichts!« Das war Thelma.
Perry Hart und Burt Croft zuckten nur mit den Schultern.
»Schön«, sagte Simon. »Euch hat er auch nicht mehr gesagt als mir. Ein Treffen, eine Besprechung. Kein Thema? Nichts von dem, was wir zu besprechen haben?«
Allgemeines Kopfschütteln.
Long legte den Kopf zurück. »Das ist natürlich nicht gut. So kenne ich ihn nicht.«
»Es kann um einen neuen Job gehen«, meinte Hart. Er schaute gegen die hohe Decke, als wollte er den Weg der Balken verfolgen. »Ein Himmelfahrtskommando gewissermaßen. Ein Einsatz, an dem wir alle beteiligt sind. Irgendwo in der Welt. In Asien, Afrika, was weiß ich.« Er hob die Schultern. »Wir sind leider zu lange aus dem Geschäft, aber Chapman wird schon seine Gründe gehabt haben.«
Thelma widersprach. Ihr gefiel dieses Treffen nicht. »Das ist mir alles zu weit hergeholt. Erst hören wir jahrelang nichts, dann plötzlich treffen wir uns alle hier. Verdammt, was hat das zu bedeuten? Ich hatte die alten Zeiten schon vergessen.«
Durch ihr Nicken deuteten die Männer an, dass sie der gleichen Meinung waren.
Simon Long griff in die Obstschale und holte eine Birne hervor, in die er hineinbiss. Hart und Croft mischten Wasser mit Wein, und Thelma trank Wasser.
»Ein letzter Einsatz. Zum Abschluss«, sagte Hart.
»Das glaube ich nicht.
Er schaute Thelma stechend an. »Warum glaubst du das nicht? Weißt du mehr?«
»Nein, leider nicht. Aber ich bin von Natur aus misstrauisch. Ja, es ist so, ich kann mir nicht helfen. Aber damit bekomme ich hier meine Probleme.«
»Sollte es eine Falle sein?«, murmelte Burt Croft.
Thelma zuckte die Achseln.
»Kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Long. Er hatte die Birne schon gegessen und putzte seine feuchten Finger an einer bereitliegenden Serviette ab. »Warum sollte man uns eine Falle stellen? Wir haben Chapman nichts getan. Niemand hat sich gegen ihn gestellt. Jeder hat seinen Job damals gemacht. Ich jedenfalls habe in den letzten Jahren nichts
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