Draculas Eisleichen
haben, als er über dem Meer seinen Kurs änderte und gegen das Festland flog.
Aus vier Personen bestanden die Passagiere. Da war einmal der Pilot, ein kleiner gedrungener Mann aus Armenien, der aber den Norden des Landes besser kannte als den Süden. Zum zweiten hockte neben ihm ein blonder Russe, der immer ein wenig kantig wirkte, und der eigentlich in Moskau in seinem KGB-Büro hätte sitzen müssen, der aber froh war, der miefigen Bude zu entkommen.
Der Mann hieß Wladimir Golenkow. Er war nicht nur KGB-Agent, sondern auch ein guter Freund der beiden anderen Passagiere, die den Rückraum des Hubschraubers in Beschlag genommen hatten.
Einmal ein Chinese namens Suko und von Beruf Scotland Yard-Beamter, gleichzeitig Spezialist für übersinnliche Fälle, ein Mann, der sich auskannte, wenn es gegen Feinde ging, die aus schwarzmagischen Bereichen und Welten stammten.
Blieb der vierte im Bunde.
Das war ich, John Sinclair, ebenfalls Yard-Beamter, ebenfalls ein Freund Golenkows, dessen Nachricht uns verleitet hatte, ihn auf seinem neuesten Trip zu begleiten. Es ging um einen Vampir, der in einer Eisscholle eingefroren war. So hatte ein gewisser Mesrin gemeldet, der eine Wetterstation an der Nordostküste der Sowjetunion leitete, an der Barentssee, dem südlichen Ausläufer des Nordpolarmeers.
Die größte Stadt in der Nähe war Murmansk, von dort waren wir auch gestartet und nicht in den Frühling hineingeflogen, wie es eigentlich hätte sein sollen, sondern direkt wieder in den Winter. Unter uns breitete sich der Schnee wie eine unendliche weiße Fläche aus.
Wir waren auch über das Meer hinweggeflogen und hatten zahlreiche Inseln gesehen, die sich kaum aus den grauen Wogen als ebenfalls graue Flecken abhoben und höchstens von Vögeln bewohnt waren, die dieses Klima vertrugen.
Eine Gegend, in die mich niemand freiwillig für längere Zeit hineinbekommen würde, aber wenn es darum ging, den Mächten der Finsternis ein Bein zu stellen, waren Suko und ich immer dabei.
Vor allen Dingen dann, wenn uns Freund Wladimir alarmierte. Bisher hatte sich daraus immer ein Fall auf Leben und Tod entwickelt. Der Russe war kein Spinner, der die Pferde scheu machte. Wenn er uns anrief, hatte das seinen Grund.
Ich schaute nach hinten, wo unsere Ausrüstung lag. Proviant, dicke Jacken, Werkzeuge, denn wir wußten nicht, was uns in dieser winterlichen Einöde erwartete.
Aus der Höhe gesehen, wirkten die barackenähnlichen Häuser der Station wie hingestellte Schachteln. Auch bei ihnen gab es keinen Farbtupfer, sie alle sahen grau in grau aus. Wer hier seinen Job verrichtete, mußte sich vorkommen wie lebendig begraben.
Wir verloren an Höhe, und Wladimir Golenkow drehte sich auf dem Sitz des Co-Piloten um. Er sah mein skeptisches Gesicht und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
»Was hast du?«
»Nicht dein Fall, John, wie?«
»So ist es. Ich bin auf Frühling eingestellt, auf blühende Gärten und Wiesen…«
»Ist das Wetter in London denn besser?«
»Im Moment haben wir Pech. Es ist kalt, es regnet, manchmal hagelt es auch.«
»Vergiß den Schnee nicht«, meinte Suko lässig.
»Aber nicht so schlimm wie hier.« Golenkow lachte. »In diesem Land gehört er dazu, John, das weißt du doch.«
»Sicher.«
Man hatte uns bereits anfliegen sehen, und die Wetterstation erwachte zum Leben.
Die Männer kamen aus ihren Hütten. Sie versammelten sich auf einem freien Platz und schauten in die Höhe. Nicht weit entfernt entdeckten wir einen kleinen Naturhafen. Boote schaukelten dort auf den Wellen.
Jenseits einer aus hohen Steinen errichteten Mauer duckten sich kleine Fischerhäuser gegen das flache Gelände, als hätten sie Furcht davor, den Unbillen der Natur hochaufgerichtet zu trotzen.
»Es gibt dort unten in der Station keine Frauen«, bemerkte Wladimir wie am Rande.
»Ach du lieber mein Vater.« Ich schüttelte den Kopf. »Da sind die Leute wirklich lebendig begraben.«
»Die Arbeit wird gut bezahlt. Außerdem bekommen sie einen besonders langen Urlaub.«
»Trotzdem, mich bekämst du für kein Geld in der Welt in diese verfluchte Einöde.«
Wir hatten bereits so stark an Höhe verloren, daß die Rotorblätter Schneewolken aufwirbelten, die eine Sicht zunächst unmöglich machten.
Und das blieb auch so bis zur Landung. Dennoch setzte der Pilot die Maschine sanft und sicher auf. Er war eben gut.
Wir hatten uns losgeschnallt, und Wladimir riß den Ausgang auf. Er verließ die Maschine als erster. Wir bedankten
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