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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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Artikel im Internet hingegen hatten ihre Schönheit behauptet, auch Sardonius Spork hatte diese bezeugt. Die Comtesse wollte ich nicht fragen, welchen Grund die Spiegellosigkeit der Temeschburg habe.
    »Uruquates war so nett, Ihre Tasche auf Ihr Zimmer zu bringen«, sagte die Kleine und wies mit einer Handbewegung aus dem klassischen Ballett auf mein Gepäck hin. Die Tasche stand auf einem riesigen Bett. Wir waren im letzten Zimmer angekommen. Hier sollte ich schlafen. Über der Schlafstatt war an dürren Pfosten ein fadenscheiniger Baldachin aufgehängt; es wäre mir schwergefallen, seine Farbe zu bestimmen. Das lag auch daran, daß das Zimmer nur von einer Funzel beleuchtet wurde, die alles in mattes Gelb tauchte, wie jenes auf den Seiten verblichener Bücher. Auf einer Kommode in der Ecke standen Waschschüssel und Waschkrug, aber wieder fehlte der Spiegel. Ich fragte mich schon, wie ich mich am Morgen rasieren sollte, als ich bemerkte, daß ich im Zimmer allein war. Hatte die Comtesse sich verabschiedet? Mir war, als hörte ich sie im Nachhinein Gute Nacht sagen, aber ich war nicht sicher. Ich zog mich aus und erklomm das Bettgestell. Die Schlafstätte sah bequem aus, war aber unbequem. Wie in den Fauteuils der Ersten Klasse mancher Fluglinien wälzte man sich hin und her ohne eine Ecke zum schlafen zu finden. Durch den dünnen Stoff des Baldachins starrte ich an die Decke und stellte fest, daß diese hoch war wie in einem Krankensaal früherer Zeiten. Was mich noch mehr befremdete, war die grottenhaft eingebuchtete Wand hinter meinem Bett mit zahllosen muschelartigen Einstülpungen, die ich in dem Maße wahrnahm, in dem meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Ein rötlicher Schimmer fiel durchs Fenster. Der Raum mit den Möbeln und Bildern sah jetzt aus, als sei er eher gemalt als wirklich. Meine Augen wandten sich immer wieder der Wand hinter meinem Bett zu, und ich fragte ich mich, ob hier früher ein Brunnen oder Wasserspiel gewesen und im Rahmen eines Umbaus ausgetrocknet worden war.
    Mit dem Gefühl, mitten in einem Brunnen zu liegen , schlief ich ein und träumte wirr. Der Chauffeur Uruquates raste bügelbrettenge Serpentinen mit mir entlang, und der Blick in die Abgründe erschreckte mich ebenso wie der die Hänge hinauf, auf denen eine spitze und abstoßende Burg thronte. Haifische schnappten nach mir. Schon wenn sie die Zähne bleckten, um sardonisch zu grinsen, wußte ich, daß mein Leben verwirkt war. Die Haie feixten und warfen einander Blicke zu, welche besagten, daß sie mich gleich verspeisen würden. Ein riesiger Rochen riß den Rachen auf, und ich fuhr gerade hinein, ohne etwas daran ändern zu können.
    Zwischendurch schreckte ich immer wieder aus dem Schlaf, und wenn ich mich nach und nach besann, wo ich war, fand ich dies ebensowenig erbaulich wie die Träume, denen ich gerade entronnen war. Das Riesenbett unter mir schien zu schwanken, ich fand keine Ruhe und kletterte mitten in der Nacht hinaus, um nachzuforschen, woher der rötliche Schein kam. Ich trat ans Fenster, stellte fest, daß die Mauer darunter steil abfiel. Tatsächlich befand sich mein Zimmer auf einer Art Mauervorsprung, mein Zimmer ragte über den Abgrund. Unter mir war ein Nebelmeer, den Ursprung des rötlichen Lichts fand ich nicht; es kam von irgendwoher auf der anderen Seite der Burg. Ich kletterte zurück ins Bett, das mir jetzt noch wackeliger erschien als vorher. Ich hatte das Gefühl, das ganze Zimmer könne jeden Moment zusammenfallen. Der Gedanke, daß mein Leben von der Gnade einiger Steine abhing, die zu einem überalterten Gemäuer gehörten, verdrängte das Grauen, das ich vor der Begegnung mit der Fürstin und dem Anblick ihrer Krankheit empfand.
    Ich hing in d er Luft. Das alles hatte ich mir selbst eingebrockt. Schon vor vielen Jahren hatte mein Unglück seinen Ausgang genommen, als ich mich auf Sardonius Spork einließ und dem Rumänischen Drachenorden beitrat, obwohl niemand mich dazu zwang. Die Studentenzeit in Wien, die Jahre als junger Arzt in Paris, der letzte Tag mit meiner Familie, all das erschien nun unendlich fern, und der Gedanke, ich könnte meine Frau und die drei Kinder nie mehr wiedersehen, ich könnte ebenso abtransportiert werden wie all die Männer, die vor mir auf die Temeschburg gekommen waren, um der Fürstin zu helfen oder um sie zu werben, überlief mich wie Eiswasser.
    Das schlimme war, daß ich niemanden als mich selbst für meine Lange verantwortlich machen konnte. Irgendetwas

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