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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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war in meinem Leben von Anfang an schief gelaufen, und ich war schuld daran. Meine Angst vor Löchern hatte mich in die falsche Richtung getrieben. Und ich hatte mich treiben lassen. Andere Menschen, so dachte ich in diesem Moment, hatten auch Ängste, aber sie ließen sich davon nicht auffressen. Es kam mir vor, als wackelte das ganze Zimmer, aber irgendwie muß ich doch wieder eingeschlafen sein. Am nächsten Morgen lag das Zimmer in fahlem Glanz. Als ich mir nach und nach darüber klar wurde, wo ich war, erschrak ich und wünschte mir nichts so sehr, wie wieder in Paris bei meiner Familie und meinen Patienten zu sein. Ich trat ans Fenster und merkte, daß ich von den Träumen und Gedanken der Nacht noch ganz benommen war. Ich hielt mich an der Fensterbank fest und schaute auf die Wolkenfetzen hinaus, unter denen sich Teile der Landschaft zeigten, Äcker und Dörfer von Transsylvanien, dem Land, ich das ich nie hatte reisen wollen.
    Ohne die Partnerschaft eines Spiegels mußte ich mich rasieren und schnitt mich, daß es blutete. Als ich mich anzog, hörte ich Schritte auf dem Gang, dann ein rhythmisches, musikalisches Klopfen. Es konnte nur die Comtesse sein, die dann auch in einem blau umgürteten weißen Kleid vor mir stand. In diesem Moment empfand ich eine Art von Sympathie für sie, die mir das einzig Vertraute in fremder Umgebung schien, obwohl ich sie gestern zum ersten Mal gesehen hatte und keineswegs wußte, was sie über mich dachte und was sie mit mir vorhatte.
    »Ich darf Sie zum Frühstück bringen, lieber Docteur Entenschnabel. Danach beginnt die Konsultation.«
    Durch Gänge und Fluchten folgte ich der Kleinen , bis wir in einen mit Blumen geschmückten Frühstückssaal kamen. Bei Tisch bediente mich ein hagerer Herr, und ich brauchte einige Zeit, um zu erkennen, daß es sich bei diesem um Uruquates handelte, der mich vom Flughafen abgeholt hatte. Ich suchte das Frühstück hinauszuzögern, das Treffen mit der Fürstin auf die lange Bank zu schieben. Vor dieser Frau graute mir ebenso wie vor der Untersuchung. Mochte sie auf mich warten; in Transsylvanien, so nahm ich an, herrschte wie überall im früheren Österreich noch Respekt vor Ärzten und Wissenschaftlern, und ich würde, als eingeladener Spezialist, mein Frühstück in Ruhe beenden können.
    Ich nahm mir einige Langsamkeit heraus und beklopfte gerade das Ei, als sich die Doppeltür auftat, eine Frau eintrat und mich in tiefere Unruhe versetze als alle Frauen, die ich im Leben gesehen hatte.

 
     
    8
     
     
    Die Fürstin-Witwe Eleonore von Schwarzenberg trug das kupferne Haar offen über ihrem bordeauxroten Samtkleid, das mit goldbestickter weißer Seide abgesetzt war. Ihr Teint war elfenbeinern. Unter den großen Augen, deren Farbe mir nicht klar wurde, lagen wie mit Asche aufgetragene Schatten. Sardonius Spork hatte nichts aufgebauscht, als er diese Frau unglücklich nannte. Die Fürstin war so einsam wie die Burg, in die sie sich selbst weggesperrt hatte. Sie trat auf meinen Tisch zu als schlafwandle sie, und als ich aufstand, huschte ein Lächeln über ihren abgeschlossenen Mund. Ich beugte mich über ihre Pfote; sie fiel nicht ins Gewicht, man hatte so gut wie nichts in der Hand, kaum einen Hauch.
    »Mein lieber Doktor Entenschnabel, man hat mir viel Gutes über Sie berichtet«, hauchte sie. Es war eine Stimme, die aus der Ferne zu kommen schien.
    »Wie darf ich Sie nennen? Erlaucht? Durchlaucht? Hoheit?«
    Sie lächelte, zeigte dabei kurz die Zähne.
    »Das ist mir vollkommen einerlei. Sie können mich nennen, wie Sie wollen. Wissen Sie was? Nennen Sie mich einfach Fürstin.«
    Das Lächeln erinnerte mich an jenes der kleines Comtesse, so schelmisch war es. Als Frauenarzt ist man es gewohnt, auch in das Gesicht der Dame einen Blick zu tun; hier beginnt die Untersuchung. Bei den meisten Frauen, die in meine Ordination kommen, steht meine Diagnose schon fest, wenn ich ihr Gesicht ins Auge gefaßt habe; daß sie sich untenherum frei machen, ist um Grunde überflüssig. Bei der Fürstin war es freilich anders, hier hatten wir es mit einem besonderen, einem einzigartigen Leiden zu tun. In den wenigen Stunden, die mir am Vorabend geblieben waren, die Fachliteratur zu konsultieren, war es mir nicht einmal gelungen, herauszufinden, ob man in diesem Fall tatsächlich von einer Krankheit sprechen konnte, ob man es eher eine Besonderheit, eine Regelwidrigkeit nennen mußte. Denn ist es eine Krankheit, wenn man mit einem Teil des Körpers

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