Dracyr – Das Herz der Schatten
blind ins Dunkel. Ihre Zähne klapperten. Diese Gelegenheit, Lord Harrynkar das Gift zu verabreichen, hatte sie ungenutzt verstreichen lassen. Sie wusste nicht, ob es ein zweites Mal geben würde. Er hätte mit ihr getrunken und sie hätte ihn nur eine Winzigkeit ablenken müssen, dann wäre es um ihn geschehen gewesen.
Er hätte es bemerkt. Sie wusste es so klar, als stünde es in groÃen Lettern vor ihr geschrieben. Er hätte sie mit seinen weiÃen Zähnen angelächelt, und das Lächeln wäre eine Drohung gewesen, ihr die Kehle herauszureiÃen. Er hätte es im gleichen Moment gewusst, in dem sie nach dem Gift gegriffen hätte. Sein Blick drang durch Kleider, Fleisch und Knochen bis ins Innerste der Seele. Er war kein Mensch. Sie alle hatten etwas von ihrer Menschlichkeit verloren und ebensoviel von den Dracyr angenommen, aber Lord Harrynkar hatte sich so weit von allem entfernt, was menschlich war, dass er sich wahrscheinlich nicht einmal mehr erinnern konnte, was es einmal für ihn bedeutet hatte, ein Mensch zu sein.
Das Zähneklappern lieà nach und ihre Augenlider wurden schwer. Angst und ausgestandener Schreck wichen einer bleiernen Müdigkeit.
Sie wurde wach, als etwas laut polternd gegen die Wand knallte. Ein Hocker. Jemand fluchte, seine Stimme klang schleppend, die Worte undeutlich.
Kay richtete sich verwirrt und wachsam auf. Hatte einer der jungen Männer die Zimmertür verwechselt, war bezecht und seiner Sinne nicht mehr mächtig bei ihr hereingestolpert, statt in sein eigenes Zimmer, sein eigenes Bett?
Wieder ein Poltern, ein Scharren, dann ein dumpfer Aufprall. Der Fluch endete in einem lang gezogenen Stöhnen. Kay sprang auf, denn das klang so jämmerlich, dass ihr Mitleid den Ãrger über das Eindringen überwog.
Sie kniete neben dem Gestürzten, der sich aufzurappeln versuchte, wobei er immer noch unterdrückt und undeutlich vor sich hin fluchte.
Das schwache Licht des Mondes zauberte silberne Reflexe auf weiÃes Haar. Kay wich unwillkürlich zurück, dann schüttelte sie den Kopf über sich selbst und packte Damian unter den Achseln. Er lehnte sich schwer an sie, kam taumelnd auf die Beine. » Kay Donne « , lallte er. » Du bist hier. « Er kippte und hielt sich mit beiden Armen um ihren Nacken aufrecht. Sein Gesicht war so nah, dass sie im blassen Mondlicht die hellen Narben darin erkennen konnte. Seine Pupillen waren groà und dunkel und zu ihrer Erleichterung war kein Schimmer eines Dracerfeuers darin zu erkennenâ nur brunnentiefe Dunkelheit. Sein Atem strich über ihre Lippen und sein Blick senkte sich auf ihren Mund.
Kay wandte hastig den Kopf ab und festigte ihren Griff. » Du bist betrunken, Damian « , sagte sie. » Du solltest in deinem Zimmer sein, nicht bei mir. «
» Betrunken? « , wiederholte er schleppend und lieà sich von ihr zum Bett führen. Sie schob ihn gegen die Kante, bis er von selbst zum Sitzen kam, und drückte ihn dann energisch auf die Matratze. » Ich zieh dir die Stiefel aus « , sagte sie. » Den Rest musst du allein schaffen. Schlaf deinen Rausch aus. «
Er knurrte und legte seinen Arm über die Augen, während Kay an seinen Stiefeln zerrte.
Kay lieà die Stiefel zu Boden poltern und wischte sich übers Gesicht. Sie blickte auf Damian herunter. Warum hatte sie ihn nicht zur Tür hinausgeschoben und nach einem Diener geläutet, der ihn in seine Gemächer brachte?
Damian murmelte etwas und lieà den Arm sinken. Sein Blick suchte nach ihr. » Nicht betrunken « , sagte er mit klarer Stimme, dann sanken seine Lider herab.
Kay kicherte und beugte sich über ihn, um eins der Kissen und die zweite Decke für sich vom Bett zu nehmen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass seine Hände zu plötzlichem Leben erwachen und ihre Taille umfassen würden. Mit einem Aufschrei verlor sie das Gleichgewicht und lag nun auf ihm. Er atmete tief aus und verfestigte seinen Griff um ihre Taille. Sein Körper war stark und fest, sie spürte die Muskeln seiner Brust und seines Bauches, die sich anspannten, um sie zu tragen. Es war eine erschreckend angenehme und verlockende Berührung, die sie gleichzeitig verwirrte und mit Sehnsucht erfüllte.
Sein Atem war frisch und roch kein bisschen nach Wein oder Schnaps. Kay vergaà in ihrer Verblüffung darüber, dass sie sich wehren wollte, und stützte nur die Hände rechts
Weitere Kostenlose Bücher