Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
hindurchstapfte, wie von einem Schatten gefolgt von Ubali, der sein riesiges Krummschwert umgeschnallt hatte, flohen die Hunde winselnd vor ihm. Ubali bemerkte es verwundert. Wieso hatten die Tiere vor dem Häuptling, der sie zudem gar nicht beachtete, soviel Angst?
Dann kamen sie zu einer Gruppe, die ihre Kamele hochscheuchte und sattelte, ihnen die Zäume anlegte und die Felle säuberte.
Zwei Kinder sahen Zainu und rannten davon, als ob ein Wolf hinter ihnen her wäre. Zainu fragte grob: »Was haben die Bastarde?«
»Sie fürchten sich vor etwas!« sagte Ubali leise. »Ich weiß nicht, wovor!«
»Wahrscheinlich vor dir, schwarzes Scheusal!«
Ein Kamel wandte den Hals, glotzte Zainu an, dann geriet es außer Rand und Band. Es warf seine Läufe nach allen Richtungen, sprang blökend hin und her. Zwei Männer griffen ein und hängten sich an den Hals und an die Zügel. Das Tier bockte und stieß nach ihnen und schleuderte sie auseinander. Die anderen Tiere flohen in panischer Furcht. Zainu schrie erbost:
»Daran seid ihr schuld, ihr Faulpelze! Ihr habt die Tiere nicht genügend zugeritten! Sie sind es nicht mehr gewohnt, zu gehorchen!« Er spürte den Ärger und die Unzufriedenheit der Männer und sah die Verwunderung in Ubalis Augen. Deshalb ging er zu seinem Pferd, einem gedrungenen schwarzen Hengst, und ehe das Tier begriffen hatte, bohrte Zainu die langen, spitzen Nägel des Daumens und Zeigefingers der rechten Hand in das Fell, nahe an der Halsschlagader.
Das Pferd bäumte sich auf, und als das Gift sein Blut erreichte, wurde es ruhig und begann an Zainus Schulter zu knabbern.
»Das ist der Gehorsam, den ich von Mensch und Tier in diesem Lager erwarte!« rief er herausfordernd. »Ist das klar?«
Als die Dunkelheit hereinbrach, hatte sich ein unheilvolles Schweigen im Lager der Unruhig Wandernden ausgebreitet.
Zwar gingen Weinbecher herum, zwar spielten die Musiker, zwar briet man wiederum Hammel und buk Fladenbrot, aber es kam keine rechte Stimmung auf.
Es erklang Hufschlag zweier Kamele. Zwei bewaffnete junge Männer, die verwegen in den Sätteln hingen, donnerten vorbei, dem nächtlichen Treffpunkt der kleinen Streitmacht entgegen.
Ein älterer Mann mit grauen Fäden im Haar sagte: »Es ist noch nie vorgekommen, daß wir in den heiligen Tagen in den Kampf ritten. Der Häuptling wird alt und halsstarrig.«
»Ja«, stimmte ein anderer zu. »Wahrscheinlich hat ihn die arme Zanah geärgert, und er tobt sich aus.«
»Wenn die Fremden nur eine kleine Gruppe sind, hätte es sicher genügt, die Wachen zu verdoppeln«, meinte ein dritter.
»Morgen früh«, sagte der Mann, der den Spieß drehte und die Glut schürte, »wissen wir mehr.«
Wieder ritten einige Männer vorbei.
Etwa einhundert Kamelreiter waren kurz vor Mitternacht versammelt. Die Mondsichel hing am Himmel wie ein Horn, das zustoßen wollte. Nachtwolken trieben vor den Sternen vorbei. Ein schwarzer Sperber kam aus der Nacht und setzte sich auf die Schulter Zainus, der auf seinem Rappen rücksichtslos durch das Lager sprengte. Plötzlich war der Vogel verschwunden, als habe er sich unter das metallbeschlagene Lederwams des Mannes mit den schnellen, dunklen Augen geflüchtet.
Zainu kannte den Weg, der hinunter ins Tal und dort westwärts zum Wasserfall führte. Er erreichte die Kamelreiter und hielt in sicherem Abstand vor ihnen.
Einer rief grimmig: »Willst du sie lebend?«
»Ja, Männer. Vor allem den Anführer!« Er gab dem Tier die Sporen und riß es am Zügel herum. Der Rappe wieherte dumpf, dann stob er davon wie von einer Bogensehne geschnellt. Zainu beugte sich nach vorn, seine dunklen Augen suchten den Weg ab. Die Hufe der Tiere schlugen auf dem Fels einen dröhnenden Wirbel, als sie in langer Reihe folgten.
Bald darauf hatte die Dunkelheit sie verschlungen.
Zuerst ritten sie den gewundenen Pfad hinunter. Auf der einen Seite fiel der Abhang in die Tiefe ab, deren Grund niemand kannte. Auf der anderen Seite strebten die Felsen in die Höhe, bis zu den Sternen, wie es schien.
Nach halsbrecherischem Ritt über zerklüftetes Gelände hinab zum Fuß der Hochebene erreichten sie in der Morgendämmerung ihr Ziel. In vollem Galopp stob Zainu, der Häuptling der Söhne Nuaks, abwärts. Er und sein Pferd schienen ein Paar Augen zu haben, ein einziger Körper zu sein.
»Mir nach!« rief Zainu durch die Geräusche von Hufschlag und Keuchen, rollenden Steinen und pfeifendem Nachtwind hindurch.
»Du bist zu schnell!«
»Ihr seid
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