Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Augenwinkeln, wie Ada, Agrion und Amee in der Menge verschwanden. Sie wurden gebunden und weggeschleppt.
Dragon wehrte sich mit den Fäusten gegen einen Kamelreiter, dann gegen zwei auf einmal. Noch einmal brachte er einen der Gegner zu Fall, bevor ihm ein heftiger Schlag auf den Kopf das Bewußtsein raubte.
Eine schaukelnde Bewegung brachte Dragon zu sich. Er hing über dem Hals seines Pferdes. Als er die Augen öffnete, blickte er neben einem schmalen Pfad in den Abgrund. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt.
Es war schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Kopf schmerzte bei jeder Bewegung des Pferdes. Erst nach einer Weile brachte er genügend Kraft auf, sich ein wenig aufzurichten.
Er mußte die Augen wieder schließen, bis er Schmerz und Schwindelgefühl unter Kontrolle hatte. Dann beobachtete er die lange Reihe der Reiter vor und hinter ihm. Er entdeckte die Mädchen, die ein Stück hinter ihm gefesselt auf ihren Pferden ritten. Sie schienen nicht verletzt zu sein. Dann sah er auch Iwa und Nabib. Schließlich Partho. Er hatte Sondart fallen gesehen. Auch Afkral konnte er unter den Reitern nicht ausmachen.
Als der Rand der Hochfläche erreicht war, gingen die Kamelreiter und an ihrer Spitze der Mann auf dem nachtschwarzen Pferd in ein schärferes Tempo über; Zelte und rauchende Feuer tauchten auf.
Am äußeren Rand der Ebene, als der Pfad abermals eine kleine Biegung machte, konnte Dragon einen kurzen Blick auf das Tal und auf den Ausgang der Schlucht werfen. Er traute seinen brennenden Augen nicht, aber er glaubte, dort unten einen kleinen Punkt gesehen zu haben, der in rasender Eile dem Fuß der Hochebene zustrebte.
Viele Menschen strömten zwischen den Zelten hervor und kamen von den Feuern, als die Gefangenen ins Lager gebracht wurden. Stumm und neugierig und feindselig starrten die kleinen, schwarzhaarigen Gestalten den Gefangenen entgegen, als sie zum Feuerkreis gezerrt wurden, der sich vor dem größten, farbenprächtigsten Zelt mit dem Halbmond auf der Spitze befand. Dort riß man sie aus den Sätteln und warf sie zu Boden.
Nabib sagte fatalistisch, aber so laut, daß es weit zu hören war: »Endlich finde ich eine Versammlung schöner, vollschlanker Frauen! Und in welcher Lage bin ich? Bin ich in der Lage eines Mannes, der den glühenden Liebhaber spielen kann? Aber vielleicht schaffe ich mit dem Strom meiner Worte, was ich mit gebundenen Händen nicht …«
Zainu kam heran, trat ihn in die Rippen und schrie: »Schweig!«
»Wie du befiehlst, gnadenreicher Häuptling!« sagte Nabib unerschrocken. »Ich verspreche dir, wenn ich das nächstemal mit meiner Karawane bei deinem Stamm vorbeikomme, werde ich dich so betrügen, daß du nächtelang weinst!«
»Darüber reden wir später!« sagte Zainu barsch und zog sein Schwert. Er ging zwischen den Gefangenen umher, die im niedergetrampelten Gras saßen oder lagen. Vor Dragon blieb er stehen.
»Dein Gesicht ist anders. Du bist keiner aus diesem Teil der Welt!« stellte er fest.
Ein dichter Kreis von jungen Männern und Frauen bildete sich um die Gefangenen. Es waren viele Hunderte. Dragon sah, daß Partho an seinen Fesseln zerrte, das Gesicht vor Anstrengung verkniffen und grau.
»Ich bin Dragon, und ich frage dich, warum du die Herrscherin von Urgor überfällst und Männer ihrer Gefolgschaft tötest?« entgegnete Dragon laut. »Wir sind …«
Zainu unterbrach ihn mit einem schrillen Lachen und wandte sich zu seinen Leuten.
»Habt ihr gehört? Die Herrscherin von Urgor!« Er starrte die gefesselten Frauen an. Dann stieß er Iwa mit dem Fuß an. »Bist du das vielleicht, alte Kräuterhexe? Ich kenn’ dich! Sind diese kleinen Stadtschlampen deine Gefolgschaft?« Er lachte erneut schallend.
»Habt ihr gehört?« wiederholte er. »Aus Urgor kommen sie! Braucht der alte Alac frische Sklavinnen für seinen Hof? Seid ihr deshalb hier?«
»König Alac ist tot …«, begann Dragon wütend.
»Der alte Alac tot?« schrie Zainu. Er trat den Händler mit dem Stiefel in die Seite. »Stimmt das? Mach’s Maul auf, Händler!«
»Ja«, antwortete Nabib stöhnend. »Es stimmt.«
»Hört ihr?« schrie Zainu und ließ seinen Leuten keine Zeit, das Gehörte selbst zu deuten. »Der edle König tot, und schon ziehen diese urgoritischen Schurken plündernd durchs Land! Ubali!«
Der Kreis teilte sich an einer Stelle, als ein hünenhafter Schwarzer, so groß wie Dragon, die Männer zur Seite schob, als wären sie Schilfstengel.
»Herr?«
»Das
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