Dragon Fever: Roman (Dragon-Reihe, Band 6) (German Edition)
»Frederik, wegen gestern … was ich gesagt habe …«
»Guten Morgen, meine wunderbare Familie!«, rief Keita aus, die gerade mit Ragnar den Saal betrat. »Wie geht es euch allen an diesem schönen Morgen?«
»Warum bist du so gut gelaunt?« Briec verengte die Augen. »Wen hast du umgebracht?«
Lachend ging Ragnar um Keita herum, setzte sich an den Tisch und griff nach einer der Platten mit Fleisch.
»Wie kannst du es wagen?«, schnauzte Keita ihren Bruder an. »Anzudeuten, dass ich …«
»Oh, aye«, lachte Annwyl. »Irgendwo gibt es einen Toten.«
Keita ging zu Frederik hinüber und hielt ihm die Ohren zu. Das arme Ding, er sah langsam vollkommen traumatisiert aus.
»Musst du solche schrecklichen Dinge in Anwesenheit des Jungen sagen?«
Gwenvael kicherte. »Ich bezweifle sehr, dass das dem Jungen etwas ausmacht.« Er schaute zu Frederik hinüber und schrie: »Oder, Frederik?«
Dagmar warf ihrem Gefährten einen finsteren Blick zu. »Warum, bei aller Vernunft, schreist du so?«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung.«
»Lasst den Jungen in Ruhe.« Keita nahm die Hände von seinem Kopf, beugte sich hinunter und schrie den Jungen an: »Gefällt es dir hier, Frederik? Können wir etwas für dich tun?«
Dagmar knallte die Hände auf den Tisch. »Wieso schreit ihr beide …«
»Da fällt mir etwas ein«, unterbrach sie Ragnar, und seine ruhige, vernünftige Stimme riss sie in die Gegenwart zurück.
»Was fällt dir ein?«
Er zog ein Buch und eine kleine Holzschachtel aus seiner Tasche. Dann ging er um den Tisch herum zu Frederik, schob dessen Haferschleimschüssel aus dem Weg und legte das Buch offen vor ihn auf den Tisch. »Kannst du das lesen?«
»Ragnar?«
Er brachte Dagmar mit erhobener Hand zum Schweigen.
»Ja, kann ich«, sagte Frederik leise. »Nur nicht sehr gut.«
»Richtig.« Ragnar ging neben ihm in die Hocke und zog ein Paar Augengläser aus der Holzschachtel. Ohne Eile setzte er sie Frederik auf und rückte sie an den Ohren und auf der Nase zurecht. »Jetzt schau noch mal.«
Der Junge zuckte die Achseln, sein Blick richtete sich auf das Buch. Er starrte. Blinzelte. Beugte sich ein wenig vor. Blinzelte.
»Ich … ich verstehe nicht.«
»Es scheint, du hast das Gegenteil von dem, was deine Tante Dagmar hat. Sie hat Probleme, in die Ferne zu sehen. Du hast Probleme mit der Nähe. Deshalb fällt dir das Lesen schwer. Wahrscheinlich bekommst du Kopfschmerzen, wenn du zu lesen versuchst? Deine Augen fühlen sich müde an?«
»Manchmal.«
»Hast du es dir selbst abgewöhnt, die Augen zusammenzukneifen?«
Frederik schaute Dagmar über die Augengläser hinweg an. »Früher habe ich die Augen zusammengekniffen. Mein Vater sag-te, dann sähe ich schwach aus. Also … habe ich damit aufgehört.«
Schockiert wandte sich Dagmar wieder an Ragnar. »Woher wusstest du das?«
Er zuckte die Achseln. »Es war eine Vermutung. Je öfter Keita und Gwenvael mit dem Jungen gesprochen haben, desto lauter wurden sie. Bevor Frederik kam, haben sie das nur bei dir getan.«
»Aber …« Keita hielt dem Jungen wieder die Ohren zu und flüsterte: »Er wirkt immer noch schwerfällig und unbeholfen. Du willst ihn doch wohl nicht überzeugen, dass diese Glasstücke alle seine Probleme beheben?«
»Da hast du recht.« Ragnar nahm einen Apfel aus einer Schüssel auf dem Tisch. Er warf ihn Talaith zu. »Lady Talaith. Wenn ich dich bitten dürfte.«
Talaith zuckte die Achseln und warf den Apfel nach Frederiks Kopf. Dagmar zuckte zusammen; sie hatte Angst, dass er ihn direkt ins Gesicht treffen würde. Aber er fing die Frucht mit einer Hand ab. Ohne überhaupt hinzuschauen.
»Oh.« Keita trat zurück. »Mir ist alles klar.«
»Mir auch.« Dagmar schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
»Wo willst du hin?«, fragte Gwenvael sie.
»Meinem Vater schreiben.« Sie ging in Richtung des Flurs, der zu dem kleinen Büro führte, das sie in der Burg eingerichtet hatte; ihre zwei Hunde krochen unter dem Tisch hervor und folgten ihr. »Um so einen Grad an Täuschung und Lügen muss man sich sofort kümmern.«
»Tante Dagmar …«
Sie blieb stehen, drehte sich zu dem Jungen um und hob einen Finger. »Nein, Frederik. Es gibt nichts weiter zu besprechen.«
Frederik senkte den Blick. »Ich verstehe.«
Gwenvael stützte das Kinn auf die Faust und grinste Dagmar an. »Was hast du mit ihm vor, mein Liebling?«
»Was glaubst du wohl?«, fragte Dagmar zurück. »Ihn hierbehalten! Ich würde einen hinterhältigen
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