Dragon Fever: Roman (Dragon-Reihe, Band 6) (German Edition)
Es würden noch viele weitere königliche Besucher kommen, und sie wollte für ihren Schutz sorgen. Es war nicht akzeptabel, dass einer von ihnen ermordet wurde, während er unter dem Schutz der Königin stand.
»Dagmar.«
»Oh, gut. Brastias. Hast du die Zahlen, um die ich gebeten hatte?«
Morfyds Gefährte und Annwyls Oberbefehlshaber kam herüber. »Habe ich. Ich habe sie eben bekommen.«
Er reichte ihr das Pergament, und Dagmar prüfte kurz die Zahlen der Soldaten, die entbehrlich waren; in ihrem Kopf begann sofort die Organisation.
»Das wird gut funktionieren. Danke.«
»Gerne.« Brastias wandte sich schon von ihr ab, drehte sich aber plötzlich wieder um. »Und bevor ich es vergesse: Kann ich davon ausgehen, dass du mit den Kasernen fertig bist? Ich brauche sie für die Kommandeure, die mit ihren Soldaten kommen.«
Dagmar blickte zu ihrem Oberbefehlshaber auf. »Was für Kasernen?«
»Die, in denen du deine Neffen untergebracht hast.«
»Ich muss sie erst fragen, wann sie aufbrechen wollen, bevor ich mit Sicherheit sagen kann …«
»Aber sie sind doch schon weg.«
»Was? Was meinst du mit weg?«
»Sie sind irgendwann letzte Nacht aufgebrochen. Das haben mir die Torwächter gesagt.«
Verwirrt stand Dagmar langsam auf. »Sie sind ohne ein Wort gegangen? Bist du sicher, dass sie nicht nur jagen gegangen sind?«
»Der Wächter hat sie danach gefragt, wegen Annwyls Jagdbeschränkungen bis nach dem Fest. Sie meinten, sie wollten zurück in die Nordländer – und er solle dir ›Auf Wiedersehen‹ sagen.«
Talaith, die gerade mit einer Schüssel heißem Haferbrei zum Tisch hinübergegangen war, starrte die beiden an. »Wirklich? Aber ich habe Frederik vorhin noch gesehen. Er war bei Éibhear. Hätten sie ihren Cousin hiergelassen?«
Dagmar schloss die Augen, ballte die Fäuste; das Pergament, das sie noch in der Hand hielt, zerknitterte. »Diese Mistkerle ! Das haben sie geplant!«
Sie konnte nicht fassen, dass sie so dumm gewesen war. Dass sie es nicht hatte kommen sehen. Dass sie eines Morgens aufwachen würde, und ihre Neffen waren fort – aber Frederik blieb. Es war eine Familientradition, für die die Reinholdts wohlbekannt geworden waren: nutzlose männliche Familienmitglieder zu einem kleinen »Besuch« mitbringen und dann ohne sie wieder aufbrechen. Dagmar kannte alle Zeichen. Wusste, dass genau das kommen musste. Aber sie war schon so lange in den Südländern und hatte mit so viel rationaleren Wesen zu tun als ihre eigenen Brüder es waren, dass sie alle Zeichen ignoriert hatte. Und jetzt hatte sie ihn am Hals!
»Reg dich nicht auf«, beruhigte Talaith sie.
Knurrend presste Dagmar sich die geballten Fäuste gegen die Augen – und gegen ihren plötzlichen Kopfschmerz. »Doch, ich rege mich auf! Ich hätte es wissen müssen! Sie haben diesen kleinen Analphabeten hier bei mir gelassen, und was zur Schlachtenscheiße soll ich jetzt mit ihm anstellen?«
Brastias räusperte sich, und Dagmar ließ die Fäuste sinken. Sie war nicht in der Stimmung, beruhigende Worte von ihm oder Talaith zu hören. Aber sie stellte fest, dass graue Augen, ihren eigenen ganz ähnlich, sie vom Eingang des Bankettsaals aus anschauten. Da stand Frederik mit Keita, Izzy und Éibhear, und der ganze Raum war jetzt still; sogar die Diener waren bestürzt.
Doch bevor Dagmar ein Wort sagen konnte, verschränkte Keita die Arme vor der Brust, blickte zu Éibhear auf und sagte selbstzufrieden: »Du kannst mir nicht erzählen, dass das nicht schlimmer ist, als wenn ich Izzy verschachere.«
Talaith blinzelte. »Warte … du hast was getan?«
Gähnend verließ Ragnar das Zimmer, das er mit Keita teilte, und ging in Richtung Bankettsaal. Als er sich der Treppe näherte, sah er Rhianwen am Geländer sitzen, die langen Beine durch die Gitterstäbe gestreckt. Ihre Hände lagen um die Stäbe, und sie spähte hindurch und beobachtete irgendetwas im Saal.
Ragnar setzte sich neben sie, und ohne ihn anzuschauen, lächelte sie und sagte: »Hallo, Onkel Ragnar.«
»Hallo, meine liebste Rhi. Was für ein Drama habe ich verpasst, während ich ein Bad genommen habe?«
»Zuerst war alles ruhig und ich saß nur hier und habe nachgedacht.« Lächelnd warf sie ihm einen Blick zu. »Ich sitze und denke viel.«
»Ich weiß. Das mag ich an dir.«
»Dann kam Onkel Brastias herein und sagte Tante Dagmar, dass ihre Neffen mitten in der Nacht gegangen sind und Frederik hiergelassen haben.«
Ragnar verzog das Gesicht. Das war typisch für
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