Dragon Fire
die grobe und
durch und durch verwerfliche Bemerkung gemacht, dass deine Schwester eine
Schlampe ist.«
Wieder änderte sich
nichts in Keitas Gesichtsausdruck, und selbst als eine blaue Faust Ragnar mit
der Wucht einer tobenden Rinderherde traf, sah er ihr in die Augen.
Ragnar taumelte zur
Seite, fiel aber nicht. Es war nicht leicht. Es war eine Schande, dass der
Junge nicht mehr Schneid hatte –die Kraft und die Stärke, um ein höllisch guter
Krieger zu werden, hatte er jedenfalls, wenn auch nicht das Geschick und den
Willen dazu.
Eine schwarze Kralle,
die zu einer blauen Klaue gehörte, richtete sich auf ihn. »Wenn du noch mal so
mit meiner Schwester redest, dann werden dein Bruder und dein Vetter nicht
genug Reste von dir finden, um sie zu deiner Beerdigung auf einen
Scheiterhaufen zu legen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Während er seinen
Kiefer bewegte und versuchte, wieder Gefühl in seine Gesichtshälfte zu
bekommen, nickte Ragnar. »Hast du.«
»Gut. Und jetzt« – der
Blaue schnaubte ein bisschen – »empfehle ich dringend, dass wir das für uns
behalten. Wenn unser Vater davon Wind bekommt, haben wir einen neuen Krieg
zwischen Blitz und Feuer, und all unsere Bündnisse sind dahin.« Der Blaue legte
seiner Schwester sachte die Klaue auf die Schulter. »Ist das in Ordnung für
dich, Keita?«
Sie nickte, und nach
einem weiteren missbilligenden Blick in Richtung Ragnar sagte der Blaue: »Dann
lasst uns gehen«, und ging die restlichen Stufen hinauf.
Ragnar sah Keita
weiter in die Augen, immer noch in der Hoffnung auf die Vergebung, die er nicht
von ihr verlangen konnte. Als schließlich ihr Lächeln aufblitzte, erstrahlte es
in Ragnars Leben wie die zwei Sonnen, die plötzlich aus dunklen Sturmwolken
hervorbrachen und die Welt um ihn herum erhellten.
»Jetzt«, sagte sie mit
einem Augenzwinkern, »nehme ich deine schwache kleine barbarische
Entschuldigung an.«
13 »Brauchst du eine
Auffrischung in höfischer Etikette?«, fragte Keita Ragnar, immer noch
erschüttert, weil sich der Blitzdrache bei ihr entschuldigt hatte. Und nicht
mit irgendeinem steifen »Ich entschuldige mich, wenn ich dich gekränkt habe,
Mylady«. Sondern mit einem echten »Es tut mir leid«, das er ernst meinte. Und
weil er es ernst meinte, hatte sie gern angenommen. Denn Keita hielt einfach
nichts davon, nachtragend zu sein, wenn es nicht nötig war. Warum herumsitzen
und jemanden hassen, weil er einen Moment der Dummheit gehabt hatte? Ihrer Meinung
nach war das völlige Zeitverschwendung.
Und solange der
Nordländer ernst meinte, was er ihr gesagt hatte – und sie wusste, dass er es
ernst meinte, denn sie erkannte Lügen und Lügner immer –, würde sie ihm nichts
nachtragen.
Sollte er so etwas
natürlich noch einmal zu ihr sagen, würde sie sein Trinkwasser vergiften und an
seinem Totenbett kichern. Aber das erschien ihr nur fair.
»Vielleicht würde eine
kleine Gedächtnisstütze nicht schaden.«
»Geh nicht neben mir«,
erinnerte sie ihn, »aber nur, weil es dein erstes Mal hier ist. Nähere dich
nicht der Königin, wenn sie dich nicht ruft. Berühre sie nicht, wenn sie dich
nicht zuerst berührt. Denk nicht einmal daran, innerhalb dieser Wände einen
Blitz zu schleudern – es wäre das Letzte, was du tust. Sprich sie mit
›Majestät‹ an, selbst wenn sie dich noch so sehr ärgert, und meinen Vater als
›Mylord‹. Oh. Und keine herausfordernden Blicke in Richtung meines Vaters. Auch
wenn das weniger Etikette ist als vielmehr gesunder Menschenverstand.«
»Ich werde es mir
merken.«
»Gut.« Sie bogen um
eine Ecke, und Keita blieb stehen. »Bei allem anderen tu einfach, was ich tue,
dann müsstest du zurechtkommen.«
»Das werde ich.«
Dieser Gang führte zum
Erdgeschoss des königlichen Hofes; entlang der Wände standen Wächter in Rüstungen,
jeder mit einem Wurfspieß in der einen Hand und einem langen Schild in der
anderen. Als sie durch den Flur gingen, sah keiner der Wächter sie an oder ließ
auch nur erkennen, dass er ihre Anwesenheit bemerkte. Keita hielt den Blick
fest auf den Boden gerichtet. Als sie jünger gewesen war, hatte sie oft ein
Spiel gespielt, welchen der Wächter ihrer Mutter sie dazu bringen konnte, sie
zu beachten, aber als ein paar ihre Stelle verloren hatten, hatte sie damit
aufgehört. Es war nur lustig, wenn alle herzhaft lachen konnten. Sie wollte
niemand einen Traum oder die Karriere ruinieren, nur weil ihr langweilig war.
Das Trio erreichte das
andere Ende des Ganges,
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