Dragon Fire
unschuldigen
Verstand verlieren konnte.
»Denk daran, Warlord«,
warnte sie Ragnar leise, während sie zusah, wie ihre Mutter um Éibhear
herumging und auf sie zukam, »dass ich, egal, was du hier siehst, nicht mehr
oder weniger bin als das, was du vorher von mir gedacht hast.«
»Was in allen Höllen
soll das heißen?«
Keita atmete aus. »Das
wirst du gleich sehen.«
Rhiannon, immer noch
in sicherer Entfernung am anderen Ende des Saales, hob ihren mächtigen weißen
Kopf, entblößte die strahlend weißen Fangzähne, breitete die Arme aus und rief
aus: »Keita! Meine liebe Tochter!«
Keita breitete
ebenfalls die Arme aus und schrie zurück: »Mami!«
Ragnar beobachtete
fasziniert, wie die zwei Frauen sich durch den Saal aufeinander zu bewegten,
scheinbar einen Versuch machten, sich zu umarmen, sich dann aber doch nicht die
Mühe machten. Stattdessen hielten sie die Arme ausgebreitet und küssten statt
der Wangen die Luft neben dem Kopf der anderen.
Rhiannon trat zurück,
musterte ihre Tochter von oben bis unten und sagte: »Keita. Sieh dich an. Du
siehst absolut …« Ragnar erwartete, dass die Königin ihr Kompliment vollenden
würde, doch stattdessen sagte sie: »… wie immer aus!«
»Mami«, antwortete
Keita, und das Auge der Königin zuckte ein klein wenig. »Schau dir dieses ganze
Grau in deinen Haaren an. Es passt wirklich gut zu deinem Gesicht!«
»Und du, meine süße
Tochter. Mit all diesen feuerroten Haaren! Wie ein Segen der Götter!« Sie
senkte die Stimme – ein wenig. »Sieht aus, als hätten sie sogar dein Kinn ein
bisschen gesegnet.«
»Nichts, was man nicht
auszupfen könnte! Genau wie du es an deiner Brust machst.«
Weiterhin versteinert
lächelnd sahen sich die beiden Frauen an und sagten gleichzeitig: »Du!«
»Bekomme ich keine
Umarmung?«, fragte Bercelak, der neben Ragnar stand, und das Lächeln in Keitas
Gesicht wurde jetzt warm und echt.
Sie kam durch den Saal
zurückgerannt und warf sich ihrem Vater in die Arme.
Aber während er seine
Tochter drückte, sah der Gemahl Derer, Die Das Land Regiert seine Gefährtin an
und formte tonlos mit den Lippen die Worte: Sei nett!
Die Königin zuckte die
Achseln und antwortete ebenso tonlos: Bin ich doch!
Als Keita von ihrem
Vater zurücktrat, machte die Königin eine Geste zu dem Blauen an ihrer Seite
hin. Als Bercelak nichts sagte, gestikulierte die Königin noch einmal, bis ihr Gefährte
ein tiefes Seufzen ausstieß und murmelte: »Junge.« Die Königin schaute ihren
Gemahl finster an, und Bercelak fügte hinzu: »Schön, dass du daheim bist.«
Der Blaue verdrehte
die Augen. »Du meine Güte. Danke, Dad.«
Die Königin tätschelte
ihrem Sohn die Schulter. »Jetzt muss ich ein bisschen mit Lord Ragnar reden.
Wie wär’s, wenn du und dein Vater ein bisschen miteinander plaudern geht?«
Ragnar musste rasch
den Blick abwenden, denn der Ausdruck reinsten Entsetzens auf dem Gesicht des
Blauen war so urkomisch, dass er wusste, er würde sich unmöglich zurückhalten
können, wenn er weiter hinsah.
»Plaudern?«, fragte
der Blaue, dem beinahe die Stimme brach.
»Ja.« Sie schob ihr
Küken auf Bercelak zu. »Wir brauchen nicht lange.« Sie machte Ragnar mit einer
schneeweißen Kralle ein Zeichen, und er ging durch den Saal, wobei ihn die
Anwesenden genau beobachteten. Wieder wurde er daran erinnert, dass man sich
bei den Südländern keine Sorgen wegen den Mitgliedern des Königshauses machte
musste. Es waren diese Drachen, die man fürchten musste. Sie waren alle – sogar
die weiblichen – Krieger, Kämpfer, Mörder.
Er hatte sich der
Königin genähert, als diese sagte: »Du bleibst auch, Keita.«
Keita stolperte über
ihre Klauen; sie war ihrem Vater und Bruder zur Tür gefolgt. »Ich? Warum?«
Die Königin lachte und
legte Ragnar die Klaue auf den Vorderarm. »Ist sie nicht lustig, mein kleiner
Wirbelsturm? Tut, als wüsste sie nicht, wie sie die Befehle ihrer Königin
befolgen soll. Sie bringt mich immer wieder zum Lachen.«
Bercelak machte seiner
Tochter ein Zeichen, Keita ließ ein bisschen die Schultern hängen und ging zu
ihrer Mutter, um mit ihr und Ragnar zusammen ins Privatgemach der Königin zu
gehen.
14 Königin Rhiannon, die
Herrscherin der Südland-Drachen, ließ sich auf ihren Thron fallen und sah ihre
Tochter und den gutaussehenden Nordland-Drachen, der bei ihr war, an. »Also, wo
ist meine Schwester?«
»Es tut mir leid,
Majestät«, antwortete der Nordländer, »aber als ich ankam, war sie nicht
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