Dragon Kiss (epub)
Bercelak. Bis rein gar nichts mehr von mir übrig ist. Deine Familie … sie lieben einander. Deine Mutter beschützt euch alle, und dein Vater … er würde eher sterben, bevor er zulässt, dass irgendeinem von euch etwas passiert. So etwas gibt es bei meiner Mutter und meinen Geschwistern aber nicht. So etwas hatte ich nie und werde es auch nie haben.«
Sie holte tief Luft und entzog sich seinem Griff. »Sie wird dich vor die Wahl stellen, Bercelak. Ich weiß, dass du es dir nicht vorstellen kannst. Aber glaube es mir.«
Mit einem langen traurigen Blick auf ihn, der ihm das Herz zerriss, wandte sie sich ab und ging. Zurück ins Schloss und in die Sicherheit seiner Sippe.
Rhiannon saß auf dem schrägen Fenstersims vor ihrem Zimmer und starrte hinaus über die Festungsmauern von Aileans Schloss und Ländereien, während die zwei Sonnen verblassten, um der Nacht zu weichen. Das Einzige, was sie von einem Sturz abhielt, war ihr fester Halt mit den Füßen.
Sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Fragte sich, wo dieser spezielle Weg sie hinführen würde. Sie wusste jetzt, dass sie Bercelak liebte. Sie wusste es, weil sie ihr Leben für ihn riskiert hatte und weil sein verletzter Blick ihr das Herz in ihrer schwachen menschlichen Brust zerrissen hatte. Sie liebte ihn, aber sie konnte ihm nur Schmerz verursachen. Ihre Mutter würde schon dafür sorgen.
Götter, wie sie diese Frau hasste. Ihre eigene Mutter. Egal, was die Menschen dachten: Drachen waren nicht die gottlosen Kreaturen, für die sie ihre Art hielten. Sie liebten, sie verzweifelten. Sie fühlten Freude und Schmerz. Sie empfanden all die Dinge, von denen Menschen dachten, nur ihre Art könne sie spüren.
Mehr als achtzig Jahre lang hatte Rhiannon ihr Herz ausgeschaltet. Sie erlaubte sich selbst kaum Gefühle, und dennoch hatte ihre Mutter einen Weg gefunden, sie zu verletzen. Wenn das auch eigentlich nicht überraschend war, denn nur eine Mutter wusste, wie sie ihre Kinder verletzen oder stärken konnte. Wo Bercelaks Mutter immer ein freundliches Wort oder eine sanfte Berührung für ihre gesetzlose Brut hatte, hatte Addiena nur Spott und Klagen für ihre.
Rhiannon war nicht bewusst gewesen, wie sehr ihr die Liebe ihrer Mutter gefehlt hatte, bis sie hierhergekommen war. Bis sie sah, wie Bercelaks Familie miteinander umging.
Ein Teil von ihr wollte sie hassen. Hassen dafür, dass sie die Hoffnung in ihr weckten, sich eines Tages so sicher fühlen zu können wie sie alle. Dass sie eines Tages eine Familie haben würde, die stritt und schrie und sich auch sonst gegenseitig fast zu Tode nervte, die sich aber trotzdem liebte und gegenseitig beschützte, als sei es ihr Recht.
Aber nein … das würde sie niemals haben. Dieses Leben würde sie niemals haben.
Sie seufzte und dachte gerade darüber nach, wieder hineinzugehen, als Maelona schrie: »Spring nicht!« Rhiannon erschreckte und spürte, wie ihr Körper auf dem glatten Untergrund rutschte, als sie das Gleichgewicht verlor. Sie glitt ab, ihre Hände tasteten nach etwas, woran sie sich festhalten konnte. Ihr menschlicher Körper würde diesen Sturz niemals überleben, und sie hatte keine Ahnung, wie sie ohne Flügel abbremsen sollte.
Ihre Beine rutschten über die Kante, und sie glitt ins Leere.
Bercelak lehnte sich im Lieblingssessel seines Vaters zurück und nahm den Kelch Wein, den seine Mutter ihm anbot. Er warf ihr einen Blick zu und sie lächelte.
»Keine Sorge. Der ist nicht von deinem Vater. Er ist von mir.«
Nickend nahm er einen großen Schluck.
Ihre Hand strich über sein Gesicht und legte sich unter sein Kinn. Das tat sie oft und gerne.
»Mutter?«
»Hmmm?«
»Hast du es je bereut, mit meinem Vater zusammen zu sein?«
»Warum fragen mich das ständig alle?«
»Wie bitte?«
»Nichts.« Sie setzte sich an den Tisch ihm gegenüber und fuhr sich mit den Händen durch ihr goldenes Haar. »Das ist nicht leicht zu beantworten, mein Sohn. Zumindest dir nicht.«
»Warum?«
»Weil du nicht so leicht abzuspeisen bist wie deine restliche Sippe.« Sie zuckte leicht die Achseln. »Weißt du, es gibt Opfer, die alle Gefährten füreinander bringen müssen. Und man tut es gern, weil man sie liebt.«
»Du magst es nicht, so viel Zeit als Mensch zu verbringen, oder?«
Sie schwieg lange, dann sagte sie: »Ich vermisse meine Höhle. Ich vermisse meine Ungestörtheit. Ich habe gelernt, diesen Körper zu ertragen, weil …« Sie lächelte sanft, und ihr Sohn hob die
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