Dragon Sin: Roman (German Edition)
vollkommen durcheinander war.
Im Gegensatz zu Fearghus war Annwyl seit jenem Tag, an dem sie mit ihrer Armee nach Westen gezogen war, nicht mehr zu Hause gewesen. Damals waren die Kinder erst zwei Jahre alt und unglaublich gewesen, und sie hatte sie angebetet wie die Sonnen.
Jetzt waren sie jedoch fünf Jahre älter und sahen sie mit finsteren Mienen von der Treppe aus an. Ihre Tochter glich ihrem Großvater nun mehr, als man es zugeben wollte, und ihr Sohn sah aus wie … nun ja, wie Annwyl.
Als sich keiner der beiden bewegte, tat Annwyl das Einzige, was ihr in den Sinn kam. Sie hocke sich nieder und breitete die Arme aus. Zu ihrer großen Erleichterung kamen beide Kinder auf sie zugerannt und warfen sich ihr in die Arme, als ob sie von einem Katapult abgefeuert worden wären. Sie drückte die beiden an sich und umarmte sie mit aller Kraft. Sie legten ihr die Arme um die Schulter und vergruben die Gesichter auf beiden Seiten von Annwyls Hals.
Die Zwillinge waren zu richtigen kleinen Raufbolden geworden, genau wie ihre Mutter. Starke Arme hielten Annwyl fest, und sie erkannte überall auf der nackten Haut kleine Narben von Kämpfen und Spielen. Die beiden waren schmutzig und vermutlich noch anstrengender als damals.
Aber sie waren ihre Kinder.
Annwyl bemerkte nicht einmal, dass sie weinte, bis Fearghus ihr die Tränen mit dem Daumen von den Wangen wischte. Nun hockte er vor ihr und lächelte sie mit solcher Liebe an, dass sie nicht wusste, was sie tun oder sagen sollte. Sie wusste, dass sie zu Hause war, in Sicherheit, und ihre Familie um sich hatte, während die Häupter von Oberherr Thracius und Lord Laudaricus auf Speeren vor dem Burgtor steckten. Das war aber nur vorübergehend, denn die Truppen, die sie zur Unterstützung des Rebellenkönigs Gaius ausgesendet hatte, damit er sein Reich für sich beanspruchen konnte, würden die Kopftrophäen mitnehmen.
Fearghus stand auf und hob Talwyn auf den Arm, während Annwyl Talan behielt. Gemeinsam trugen sie ihre Kinder in die Burg, und Annwyl wusste, dass sie endlich Schlaf finden würde.
37 Rhona schlang die Arme um ihren Vater und drückte ihn an sich. »Hallo, Daddy.«
»Mein Mädchen! Ich bin so froh, dich zu sehen. Ich bin so froh, dass du wieder zu Hause bist.«
»Ich auch.« Sie seufzte. »Aber …« Sie schob ihren Vater von der Zeltklappe zurück und weiter in das Innere des Zeltes hinein. »Mum ist auf dem Weg hierher. Sie ist nicht glücklich.«
»Es geht doch nicht schon wieder um diese Drachenkriegersache, oder? Von diesem Zentaurenmist will ich nämlich nichts mehr hören.«
»Nein, nein.« Unter dem Blick ihres Vaters wandte sie die Augen ab.
Sulien schmunzelte. »Lass mich raten. Es hat etwas mit diesem Blitzdrachen zu tun.«
»Er sagt, dass er mich liebt.«
»Natürlich tut er das. Wem könnte das verborgen geblieben sein?«
»Also …«
»Vergiss meine Frage. Du bist genauso schlimm wie deine Mutter.« Er küsste sie auf die Stirn. »Du weißt ja, dass ich ihn wenigstens ein bisschen erschrecken muss.«
»Ich weiß. Ich glaube, das erwartet er auch.«
»Das nimmt der ganzen Sache den Spaß.«
»Ach, Daddy!«, lachte sie.
Ihre Mutter betrat das Zelt, und Rhona stammelte: »Äh, also … ich muss gehen.«
»Wie eine Ratte, die ein sinkendes Schiff verlässt«, rief ihre Mutter hinter ihr her.
»Bist du geflüchtet?«, fragte Vigholf, der neben dem Zelt stand und geduldig auf sie gewartet hatte.
»Ich wollte es nicht hören.« Vor allem nicht, weil sie »es« den ganzen Rückweg von Euphrasia bis hierher gehört hatte, bis Ghleanna schließlich gebrüllt hatte: »Hör auf damit, Bradana! Wir können es nicht mehr hören!«
Gute Götter, sie liebte ihre Tante Ghleanna.
»Weißt du was?«, meinte Vigholf.
»Du bist hungrig?«
»Ich verhungere.«
Sie ergriff seine Hand. »Dann sollten wir dir etwas zu essen besorgen, nicht wahr? Bevor du mir vor Hunger stirbst .«
»Bist du einverstanden?«, fragte Bradana ihren Gefährten.
»Ich habe kein Problem mit Blitzdrachen. Natürlich hat mein Volk auch nicht versucht, sie systematisch auszurotten.«
Bradana zuckte die Achseln. »Systematisch war das nicht.«
»Und was deine Frage angeht, lautet die Antwort: Ja, ich bin einverstanden. Er macht sie glücklich, er kümmert sich um sie, und dieser Drache kann mit einem großen Kriegshammer umgehen.«
»Er wird sie in den Norden mitnehmen, damit sie bei seiner Horde leben kann.«
»Ach ja? Ich bin mit dir gegangen, und es hat mir
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