Dragons Schwur
widmest.« Er hielt sie mit seinem Blick gefangen und begriff, dass sie nicht herablassend gesprochen hatte. Sie klang seltsam traurig – beinahe besiegt. Dragon hatte keine Ahnung, weshalb es ihn drängte, etwas zu tun oder zu sagen, das die kleine Sorgenfalte auf ihrer ansonsten glatten Stirn vertrieb.
»Das weiß ich«, sagte er. »Ich widme mich bereits meiner Ausbildung bei den Söhnen des Erebos. Irgendwann werde ich ein Krieger sein und ihre Werte von Ehrlichkeit, Treue und Mut teilen.«
Er freute sich, als sie ein wenig lächelte. »Das hoffe ich. Du könntest irgendwann ein außergewöhnlicher Krieger werden.«
»Ich bin schon außergewöhnlich«, erwiderte Dragon. Sein Lächeln war zurückgekehrt.
Da überraschte sie ihn erneut, als sie ihm fest in die Augen schaute, als wäre sie selbst eine Kriegerin. »Wenn du so außergewöhnlich bist, dann beweise es.«
Dragon zog das Schwert und verneigte sich vor ihr, die Hand am Heft, die Klinge an die Brust gedrückt, als wäre er schon ein Krieger der Söhne des Erebos und sie seine Priesterin. »Stellen Sie mir eine Aufgabe! Zeigen Sie mir den Bären, den ich erlegen muss, um mich als würdig zu erweisen.«
Diesmal lächelte sie. Es erfüllte ihr schönes Antlitz mit einem Glück, das sie förmlich zum Leuchten brachte. Ihr Mund mit den vollen Lippen lenkte ihn so sehr ab, dass er die Augen zukneifen musste.
Sie deutete genau auf ihn.
»Was? Ich?«, fragte er. »Selbst ein Vampyr, der eigentlich zu jung ist, um Priesterin zu werden, kann sehen, dass ich kein Bär bin.«
»Ich bin davon ausgegangen, dass du im übertragenen Sinn gesprochen hast, als ich dir einen Auftrag erteilen sollte.«
»Auftrag?« Das war doch nur ein Witz gewesen. Was glaubte sie eigentlich?
»Nun, es ist wohl kein richtiger Auftrag, aber du könntest mir auf diese Weise zeigen, dass du außergewöhnlich bist.«
Das war schon mehr nach seinem Geschmack! Er stolzierte auf sie zu. »Zu Ihren Diensten, meine Dame«, sagte er mit seiner charmantesten Stimme.
»Ausgezeichnet. Dann tritt an meinen Altar. Du wirst mir helfen, den Zauber zu wirken.«
Schon war es mit der Großspurigkeit vorbei. »Ich soll Ihnen helfen, einen Zauber zu wirken, damit die Mädchen mich nicht mehr mögen?«
»Vergiss nicht die beiden Jungs. Außerdem heißt es nicht, dass sie dich nicht mehr mögen. Sie werden dich nur klarer erkennen und von ihrer blinden Schwärmerei geheilt werden.«
»Ich muss schon sagen, das klingt ein bisschen zweifelhaft. Als würde ich mir selbst den Arm abschlagen, um zu beweisen, dass ich ein hervorragender Schwertkämpfer bin.«
»Du brauchst mir nicht zu helfen.« Sie wandte sich wieder zum Altar und machte sich an den Elementkerzen und den drei kleinen Samtbeuteln zu schaffen, die neben dem Kelch und dem Essen lagen.
Dragon zuckte mit den Schultern. Ihm war es egal, dass die seltsame junge Priesterin ihm sein Liebesleben schwermachen wollte. Und wenn sich nun dreizehn Jungvampyre nicht mehr für ihn interessierten? (Die Jungs zählte er nicht mit.) Wenn er eins gelernt hatte, seit er die Freuden der Liebe entdeckt hatte, dann, dass es
immer
Frauen gab, die ihn begehrten. Er lachte innerlich, als ihre nächsten Worte zu ihm herüberdrangen.
»Ach, vergiss meine Bitte. Du solltest lieber ins House of Night zurückkehren. Es dämmert bald. Die meisten Jungvampyre sind schon im Bett.«
Er blieb stehen und schoss herum, hätte am liebsten Feuer gespuckt. Sie redete mit ihm wie mit einem Kind! Anastasia merkte gar nicht, wie sehr ihre Worte ihn gekränkt hatten. Sie ordnete immer noch den Altar und kehrte ihm den Rücken, als hätte sie Dragon Lankford schon vergessen.
Sie irrte sich in ihm. Er war kein Kind, und es mangelte ihm nicht an Ehrlichkeit, Treue oder Mut. Er würde es ihr beweisen, indem er … indem er …
Da hörte er sich sagen: »Ich bleibe hier und helfe Ihnen beim Zauber.«
Als sie sich umdrehte, las er Überraschung in ihren großen blauen Augen und noch etwas anderes, Vergnügen vielleicht und Wärme. Ihre Stimme klang unbekümmert. »Gut. Dann setz dich hier auf den Rand des Felsens.« Sie deutete auf die Stelle. »Achte darauf, dass das Altartuch nicht verrutscht oder die Kerzen umfallen.«
»Ja, meine Dame. Was immer Sie wollen, meine Dame«, murmelte er.
Dragon beobachtete sie bei ihrem Tun. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht – sie war eine Schönheit: zierlich mit langem, weizenblondem Haar, das ihr glatt und dicht bis zur
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