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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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würde er mit Ihnen sprechen und Sie über das Gelände führen, vorbei an den Stationen, an denen Sie beide früher hier gearbeitet haben. Er wusste, dass Sie nach der Schwarzen Straße fragen würden, weil er Ihnen irgendwie zugetragen hatte, dass dort heute eine Überraschung auf Sie warten würde. Es sollte ein Spaziergang in alte Zeiten sein. Also spielte ich mit. Ich wusste, dass Sie Wanninger heißen, denn er hatte Sie ja mit Namen angekündigt. Und er heißt natürlich nicht Schmidt. Er sagte, dass er sich so nenne, denn er wollte ja nicht, dass Sie sofort seinen richtigen Namen lesen, wenn Sie auf die Liste sehen. Heute Nachmittag kam er dann wieder, zahlte, trug sich in die Liste ein und zwinkerte mir zu.«
    Sie sah Wanninger verstört an.
    »Er war nicht Ihr Freund, oder? – Hat er Ihnen was getan? Soll ich jemanden holen, der Ihnen hilft?«
    Sie war hilflos. Natürlich wusste sie, dass sie sich auf dieses Spiel gar nicht hätte einlassen dürfen.
    »Wie heißt er? Er muss doch einen Namen genannt haben.«
    »Drauschner«, antwortete sie, ohne zu zögern.
    »Dann kann er nicht so ausgesehen haben, wie Sie ihn beschrieben haben«, widersprach Wanninger. »Sie haben mir gesagt, er sei ziemlich klein und dick gewesen, hätte einen Bürstenhaarschnitt gehabt und keine Brille getragen«, erinnerte er sich.
    Die Frau sah zu Boden.
    Wanninger verstand. »Sie haben genau das Gegenteil beschrieben«, ahnte er. »In Wahrheit war er ziemlich groß und schmal, hatte Stoppelhaare und trug eine Nickelbrille mit kreisrunden Gläsern. – So sah er doch aus, oder?«
    Sie nickte.
    »Er wollte es so. Sie sollten nicht sofort wissen, dass er hier war. Er rechnete damit, dass Sie mich nach seinem Aussehen fragen würden.«
    »Haben Sie seinen Personalausweis gesehen?«, fragte Wanninger. Er kam wieder zu Kräften. Das Zittern ließ nach.
    »Wir sind nur ein Industriedenkmal, kein Hochsicherheitstrakt«, antwortete sie. »Nein, ich habe ihm vertraut. Er war sehr nett. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Als Sie vorhin auf die Liste sahen, dachte ich, dass Sie schon von der Überraschung ahnten, die auf Sie wartete. Sie interessierten sich ja sehr für den Herrn Schmidt.«
    »Wo ist er hin?«, japste Wanninger wieder. »Er kann, er muss doch noch auf dem Gelände sein, wenn er hier nicht vorbeigekommen ist.«
    »Er wird zu der anderen Seite heraus sein«, mutmaßte sie. »Die Kokerei ist nicht vollständig umzäunt. Hinten, wo die alten Gleisanlagen sind, ist alles offen. Da kann jeder raus und rein. Es ist sowieso unmöglich, so ein Werk vollständig unter Kontrolle zu halten.«
    Sie hob ratlos die Schultern.
    »Werden Sie es melden?«, fragte sie kleinlaut.
    Sie fragte noch immer nicht, was passiert war.
    »Eigentlich hatte ich mich etwas gewundert«, gestand sie. »Als der Herr Drauschner mir das Gerät gab, war es in einer Plastiktüte. Ich nahm es selbst aus der Tüte, und er sagte mir nur, wie ich Ihnen die Funktion erklären sollte. Also, dass Sie nur auf den grünen Knopf drücken sollten. Aber er nahm das Gerät nicht in die Hand.«
    »Warum wohl?«, zischte Wanninger. Er betrachtete das Gerät, das er mit dem Kopfhörer in der rechten Hand hielt.
    »Ich bin in eine Falle gelaufen«, schnaufte er und wandte sich ab.
    »Sie werden es nicht melden, bitte!«, flehte sie. »Ich habe es nur gut gemeint. Es wird mir nie wieder passieren. Sie sollten den Anzug reinigen lassen.«
    Sie drehte sich um und kramte aus ihrer Handtasche, die in einem Regal an der Wand stand, ihr Portemonnaie hervor.
    »Lassen Sie es!«
    Wanninger hob im Weggehen abwehrend die Hand.
    Er ging zu seinem Auto, setzte sich hinein und verriegelte die Türen. Es war ein heller, schöner Tag. Noch immer herrschte auf der vorbeiführenden Straße starker Verkehr. Alles war normal. Es gab keinen Grund, nicht an diesem normalen Leben teilzunehmen. Wanninger hatte sich in eine andere Welt locken lassen. Nirgends war ein Hinterhalt einfacher zu arrangieren als auf dem unübersichtlichen Kokereigelände, das um diese Uhrzeit kaum jemand besuchte. Aber Wanninger sah sich auch bestätigt. Dass er für Drauschner gefährlich geworden war, bewies, dass Wanninger wieder gefährlich war. Ein Journalist konnte nur gut sein, wenn er für andere gefährlich war.

20
    Zur gleichen Zeit fuhren Marie und Stephan die Tankstellen ab, die in der Nordstadt im Einzugsbereich der damaligen Emission der Cleanochem AG lagen. Maries Überlegung war einfach: Die Scheiben an Liekes

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