Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Wagen mussten unter Zuhilfenahme von Wasser gereinigt worden sein. Sonst wäre das Siliciumdioxid zerrieben oder weiter verteilt worden. Der Umstand, dass sich auf dem Fensterwischer nur Fingerabdrücke einer Person befanden, konnte in der Tat dafür sprechen, dass der Wischer, wie von Schreiber vermutet, neu erworben und frisch aus der Verpackung genommen worden war. Soweit sich das Gerät also nicht neu verpackt bereits in Liekes Auto befunden hatte, was nicht aufzuklären war, musste es neu gekauft worden sein. Dass Lieke van Eyck zeitnah vor dem Unfall eine Tankstelle aufgesucht hatte, war zwingend, denn das Auto war nach den amtlichen Feststellungen zum Unfallzeitpunkt nahezu vollgetankt, was darauf schließen ließ, dass sie den Wagen in Dortmund hatte volltanken lassen. Dies passte zu dem nur sehr geringfügigen Spritverbrauch für die etwa 45 Kilometer lange Strecke bis zum Unfallort. Deswegen war unwahrscheinlich, dass Lieke irgendwo zwischendurch tanken musste, denn die wöchentliche regelmäßige Betankung des Fahrzeugs freitags an einer Essener Tankstelle reichte für die gewöhnlichen Fahrten vom Hof bei Dorsten zur Konzernzentrale in Essen und zurück über eine ganze Woche bei Weitem aus. All dies sprach dafür, dass die durch die Cleanochem AG ausgelöste Verschmutzung der Scheiben des Wagens den Kauf des Fensterwischers und die Reinigung mit Wasser erforderlich machte und deshalb eine Tankstelle aufgesucht wurde, an der bei dieser Gelegenheit das Fahrzeug zugleich aufgetankt wurde. Eine Tankquittung hatte man in Liekes Geldbörse nicht gefunden. Das war unauffällig, weil sie diese Belege nicht aufhob und ihre Fahrtkosten über eine Pauschale steuerlich geltend machte.
Es war Zufall, als sie bei einer Tankstelle an der Bornstraße, Fahrtrichtung Norden, fündig wurden. Der Tankwart konnte sich erinnern, aber nicht an Lieke, sondern an einen Stammkunden, der regelmäßig hier seinen silbernen Mercedes betankte. Just an dem Tag, als die Waschstraße an der Tankstelle wegen der Emission der Cleanochem AG stark frequentiert war, hatte dieser Mann noch einen Fensterwischer ergattert, den der Tankwart eigens aus der Werkstatt geholt hatte, wo er frisch verpackt mit einigen weiteren Exemplaren lagerte. Sie waren nicht für den Verkauf, sondern als Ersatz für die Geräte bestimmt, die neben den Zapfsäulen in den für die Kunden bereitstehenden Wassereimern hingen. Der Tankwart wollte seinem langjährigen Stammkunden einen Gefallen tun, der den Wischer wiederum nicht für sein Auto benötigte, sondern für den Wagen seiner Freundin, deren schwarzer BMW an der Zapfsäule stand. Hierdurch wurde der Tankwart auf Lieke aufmerksam, die er bis dahin seiner Erinnerung nach noch nie gesehen hatte und jetzt nur deshalb genau wahrnahm, weil sie die attraktive Partnerin seines Stammkunden war. Über ihn wiederum wusste der Tankwart nur zu berichten, dass er einen silbernen Mercedes mit Dortmunder Kennzeichen und der Buchstabenkombination AS fuhr, des Weiteren, dass dieser Kunde stets freundlich sei und hin und wieder mit ihm einige belanglose Worte wechsele, wenn es das Geschäft zulasse. All dies erzählte der Tankwart, als Maries Fragen nach Lieke van Eyck, dem Kauf eines Fensterwischers und das Reinigen der Scheiben des kleinen BMW erst dann seine Erinnerung weckten, als Stephan den Ausdruck des Fotos von dem geheimnisvollen Treffen der drei Männer an der A 45 in Höhe der Burg Greifenstein gezeigt hatte. Der Tankwart war sich ohne Zaudern sicher: Der Mann links auf dem Bild war sein Stammkunde: etwa 50 Jahre alt, schütteres blondes Haar, hohe Stirn, Oberlippenbart.
Stephan überreichte dem Tankwart seine Karte und bat ihn dringend, sich zu melden, sobald der Kunde wieder an der Tankstelle erscheine. Er solle sich auf jeden Fall das vollständige Kennzeichen des Wagens notieren.
21
»Es ist kaum vorstellbar, dass Anne van Eyck und ihr Mann nichts von Liekes Lebensgefährten wussten«, meinte Marie, als sie die Tankstelle verließen. »Er war nachweisbar im Toilettenraum ihres Büros.«
»Es ist so einiges rätselhaft«, bestätigte Stephan. Er berichtete ihr von seinem Gespräch mit dem Essener Kollegen und Annes Weigerung, dessen Honorarforderungen zu akzeptieren.
Anschließend informierte Stephan Wanninger telefonisch von den neuesten Erkenntnissen.
»Ylberi hat recht«, sagte er. »Der große Unbekannte ist in Wirklichkeit ein Bekannter. Derjenige, der seine Fingerabdrücke auf dem Wischer und auf dem
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