Drake (German Edition)
plötzlich: »Es ist die Zeit, in der wir uns bewegen, Herr Werfel, nicht in einer räumlichen Dimension. Ein unentdecktes Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt. Ist Ihnen das bewusst?«
Er überlegte kurz, schließlich antwortete er: »Wenn ich ehrlich bin, ist mir schon seit einiger Zeit nichts mehr bewusst und ich versuche, nicht mehr mit dem Verstand zu verstehen, sondern mit dem Gefühl. Oder mit dem Glauben. Ich glaube zu verstehen. Ich kann es aber nicht erklären. Zum Beispiel unseren Aufenthalt auf LaGrange. Wir könnten hier nicht existieren, die Gravitation ist viel zu hoch, trotzdem bewegen wir uns auf der Oberfläche. Ich beginne mich zu fragen, ob mein Verstand von einer Illusion getäuscht wird.«
»Illusion, Herr Werfel? Sie sind ganz nahe dran und doch so weit entfernt! Ich gebe Ihnen einen Tipp: Vergessen Sie die Gravitation! Ziehen wir doch einmal die starke Wechselwirkung der atomaren Teilchen in Ihre Überlegungen ein. Zusätzlich lassen Sie uns ein Ihnen unbekanntes Teilchen integrieren. Wir nennen es der Einfachheit halber einmal Bionon.«
»Meinetwegen, aber ich habe nie ernsthaft daran gedacht, dass Sie in der Lage wären, die Gravitation zu verändern.«
»Dass weiß ich, Herr Werfel, trotzdem gelingt es Ihnen nicht, sie außer Acht zu lassen! Ach, jetzt bitte die Geschwindigkeit der Arack heruntersetzen. Ganz langsam bewegen und etwas mehr nach links bitte!«
Werfel befolgte ihre Anweisungen. Die Richtungsänderung war kaum zu bemerken. Er spürte lediglich ein leichtes Schwingen der Kanzel.
»Gut so. Und jetzt bitte anhalten!«, sagte Leila. »Schauen Sie nach rechts! Fällt Ihnen etwas auf?«
Er starrte nach draußen. »Nein, es ist grau wie die übrige Umgebung.«
»Richtig, aber passen Sie jetzt einmal auf! Gleich neben uns verläuft ein strukturiertes Magnetfeld, das vom gereinigten Energiestrahl von Drake zu einer Energiestation führt. Ich werde die Zufuhr der Biononen um einen winzigen Anteil verändern. Und mit einem winzigen Anteil meine ich wirklich nur einen sehr winzigen Anteil. Halten Sie sich gut fest!«
Werfel war skeptisch. Nicht, dass er an den Worten Leilas zweifelte, ihn beunruhigte vielmehr ihre Ankündigung mit ihm unbekannten Kräften herumspielen zu wollen. Jeder andere Ort wäre ihm dazu recht gewesen, aber nicht hier auf LaGrange.
Zu sehen gab es im ersten Moment nicht viel, aber die Arack begann sich zu neigen. Kurz darauf verwandelte sich die Neigung in ein hartes Vibrieren. Die Ausgleichsautomatik der Arack stand kurz vor der Überlastung. Werfel wollte Leila gerade darauf hinweisen, dass die Arack nicht unbegrenzt belastbar war, als plötzlich an der rechten Seite ein lautloser Blitz aufzuckte. Gleichzeitig vollführte die Arack einen Satz nach links und begann auf der glitschigen Oberfläche wegzurutschen. Er rief Leila eine Warnung zu und war überrascht, wie schwer ihm das Sprechen fiel. Die Gravitation musste um ein Mehrfaches zugenommen haben! Seine Hände, mit denen er sich an der Steuerung festgeklammert hatte, wurden schwer. Wenig später konnte er seine Füße schon nicht mehr anheben. Die Sicherheitsautomatik wurde aktiv. Weiche Seitenbags drückten ihn fest und unnachgiebig in den Sitz hinein. Vor seinen Augen begannen die Instrumente zu verschwimmen.
»Leila!« Er brachte nicht mehr als ein Keuchen hervor.
»Versuchen Sie, Ihren Blick auf die rechte Seite zu wenden!« Ihre Stimme klang ganz normal.
Trotz erheblicher Schwierigkeiten, seinen Kopf zu drehen, gelang es ihm für wenige Augenblicke, das Ungeheuerliche zu erkennen. Ein gewaltiger Strom von ineinander verschlungenen fraktalen Mustern schoss in kurzer Entfernung an der Arack vorüber. Im nächsten Moment verschwammen die Muster in Stränge von loderndem Feuer und kristallinem Eis, gefolgt von stahlblauen metallischen Elementen und begleitet von einem grellen Leuchten. Ein Inferno! Anders war dieser Zustand nicht zu beschreiben.
Seine Augen fingen an zu tränen, als er den Kopf wieder abwandte.
Schluss jetzt!, dachte er. Ich habe es verstanden!
Gerade in dem Moment, als er glaubte, das Bewusstsein zu verlieren, war der Spuk urplötzlich vorbei. Die Arack kehrte mit einem heftigen Schaukeln in ihre Ausgangsstellung zurück und stabilisierte sich wieder. Werfel wurde kurz durchgeschüttelt. Gleich darauf gaben ihn die Sicherungssysteme wieder frei. Speichel lief aus seinem Mund und seine Zunge schmeckte nach Tränen. Er versuchte zu sprechen, unterließ es aber dann
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