Drakhim - die Drachenkrieger - Trilogie
Dies war es nicht, was er wollte. Und erst recht nicht an diesem Tag. Er hatte sich vorgestellt, dass der Wind ihm von fernen Gegenden erzählen würde, die ihn mit Abenteuern lockten, von fremden Völkern, sagenumwobenen Burgen, legendären Helden, schönen Prinzessinnen. Was er jedoch hörte, gefiel ihm nicht. Sein erster Ausflug in die Magie, und er ging gründlich daneben.
»Ach, seid still!«, rief er wütend in die Luft hinaus. Der Tag schien auf einmal nicht mehr so hell und heiter, und ihn fröstelte trotz des warmen Sonnenlichts, das ungetrübt vom Himmel herab strahlte. Hastig kletterte Goren den Baum hinunter; seine Ausflugslaune war ihm gründlich verdorben.Â
Dazu meldete sich sein schlechtes Gewissen, weil er sich einfach davongeschlichen hatte, ohne jemandem etwas zu sagen, und noch dazu die ganze Arbeit liegengelassen hatte. Er entschloss sich, in die Stadt zurückzukehren, auf dem Markt irgendetwas einzukaufen, vielleicht ein wenig Gemüse; das wäre wenigstens eine Ausrede, warum er der Arbeit ferngeblieben war.
Doch bevor er das tat, hatte er etwas anderes zu erledigen.
Atemlos kam Goren im Turm an, wo Meister Altar gerade in einem zerschlissenen Ohrensessel, die Hände vor den Bauch gefaltet, den unvermeidlichen Zwicker auf der Nase, ein kleines Nickerchen hielt. Ein gewohntes Ritual, so kurz vor dem Mittagessen. So klapperdürr der kleine alte Mann war, so einen unglaublichen Appetit besaà er, und auf ein Wettessen mit ihm lieà sich schon lange keiner mehr ein.
Magister Altar fuhr hoch, als Goren hereinstürmte und dabei an einen kleinen Tisch stieÃ, der heute früh bestimmt noch nicht an dieser Stelle gestanden hatte, und der schwer mit Karten und Folianten beladen war. Der Tisch kippte um und krachte polternd zu Boden, die Blätter verteilten sich raschelnd überall auf dem Boden.
»He!«, rief der Magister, griff nach dem mittlerweile ziemlich abgenutzten Stab und fuchtelte damit wild in der Luft herum. »Ist das eine Art?«Â
Wenn Goren nahe genug gewesen wäre, hätte er einige Hiebe abbekommen. Allerdings machten sie ihm heute nichts mehr aus, Altar hätte mit seinen gebrechlichen Händen nicht einmal einen Spatz zerdrücken können. Aber auch das gehörte zum Ritual; Magister Altars ganzes Leben bestand aus solchen schrulligen Gewohnheiten, in die Goren längst mit einbezogen war.
Nachdem er vor sechs Jahren rasch begriffen hatte, dass Altar zwar seine Launen hatte und gern seinem Unmut freien Lauf lieÃ, in Wirklichkeit aber ein  gutmütiger, freundlicher alter Mann war, hatte eine schöne Zeit für Goren begonnen.
Gewiss, er musste ordentlich arbeiten, um wenigstens einigermaÃen Ordnung im Turm zu halten, denn Altar war ein schrecklicher Schlamper, aber dafür lernte der Junge auch sehr viel. Sobald der Magister erkannte, dass sein Gehilfe wissbegierig war und nicht halb so begriffsstutzig, wie er ihn immer bezeichnete, brachte er ihm Lesen, Schreiben und Rechnen bei, und so nach und nach durfte er sich auch an schwierigere Werke wagen.
»Entschuldigung, Meister, aber es ist sehr wichtig«, platzte Goren heraus. »Der Wind hat zu mir gesprochen! Nein â um ehrlich zu sein, gleich mehrere Windstimmen, sozusagen!«
»Was für ein ausgemachter Unsinn, Dummbeutel!«, erwiderte Magister Altar und kämpfte sich aus dem durchgesessenen Polster. Er fuhr sich durch die ewig wirren Haare und blickte sich suchend um. »Hast du meine Augengläser gesehen?«
»Auf Eurer Nase, Meister, wie immer.«
Altar tastete nach der Nase, und ein verklärter Ausdruck huschte über sein verknittertes Gesicht. »Tatsächlich, nicht wahr! Nun, da will ich mal nicht so sein. Allerdings«, er wedelte ungeduldig mit der Hand, »räum gefälligst diesen Schlamassel auf, den du hier angerichtet hast! Dahin ist sie, meine Arbeit des Vormittags, alles hast du durcheinander gebracht!«
Goren sagte besser nichts, sondern machte sich schweigend an die Arbeit. Altar kramte murmelnd in der Nähe der Treppe in einer Truhe herum. Die Treppe bestand aus Holz und war gewendelt, sie zog sich mitten durch den Turm vom Erdgeschoss bis zur Spitze hinauf. Galeriegänge zweigten sich bei jedem Stockwerk von ihr ab.Â
SchlieÃlich kehrte der Magister mit einer Armvoll Schriftrollen zu seinem Gehilfen zurück. »Das hier muss heute noch sortiert und ins
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