Drakhim - die Drachenkrieger - Trilogie
Stimmen. Als Kind hatte Goren dies schon vernommen, wenn auch nie verstanden.
»Mama, der Wind spricht zu mir«, hatte er einmal offenbart, als sie zusammen vor dem Kaminfeuer saÃen; einer der wenigen gemeinsamen, friedlichen Momente, wo sie ihm Geschichten erzählte.
»Und was sagt er?«, fragte sie aufmerksam. Sie schien ihm zu glauben.
»Weià nicht, ich kann ihn nicht verstehen.«
»Dann lausche ihm weiter, Sohn, damit du eines Tages seine Sprache verstehst. Je besser du zuhörst, desto schneller wird es dir gelingen.«
Vielleicht war Goren deshalb so gern hier oben? Um dem Lied des Windes zu lauschen und darauf zu hoffen, dass er es eines Tages verstand? Dann musste er nicht mehr mit sich selbst reden, mit einer Stimme, die nicht zu ihm gehörte ...
»Sprecht zu mir«, flüsterte er. »Ich höre euch zu, ich kann sehen, was ihr mir zeigt ... so lange schon höre ich zu, also sprecht weiter zu mir, damit ich es endlich verstehe ...«
Er lauschte. Lange und in tiefer, ernsthafter Konzentration. So, wie er Magister Altar des Ãfteren beobachtet hatte, wenn er sich einer magischen Ãbung annahm. »Es liegt in dir selbst, mein Junge«, hatte der alte Mann in einer rührseligen Stimmung einmal zu ihm gesagt, als er zu viel des guten Beerenweins zu sich genommen und Goren ihn zu Bett gebracht hatte. »Die Kraft der Magie ruht in dir, nicht wahr? Insofern du sie besitzt, natürlich, meine ich. Aber wenn es so ist, musst du lernen, diese Kraft in dir zu sammeln, um sie freizusetzen. Um damit die Magie zu nutzen, die uns umgibt, denn sie ist überall, sie ist der Atem der Götter. Das Einzige, was uns geblieben ist, nachdem sie gefallen sind. Alle Magier beziehen ihre Kraft aus sich selbst und nutzen den Atem der Götter um uns, nicht wahr?«
Altar wusste am nächsten Morgen sicher nicht mehr, worüber er weingefaselt hatte, aber Goren vergaà es nie, denn er wusste, dass dies nicht bloÃes Geschwätz war, sondern eine wichtige Lehre.
Und da er der Einzige war, der den Gesang des Windes hörte, und diese unheimliche flüsternde Stimme in sich, war er sicher, dass dies zur Magie zählte, und dass er in sich die Kraft trug, den Atem der Götter aufzufangen und zu nutzen.
Aber er hatte nie so ernsthaft darüber nachgedacht wie heute an seinem fünfzehnten Geburtstag, wo er in seltsamer Stimmung war und nach den Sternen verlangte, wie jeder Jüngling, der bald erwachsen wurde und nicht weniger als die Welt erobern wollte.
Goren versuchte sich vorzustellen, wie Magister Altar es gemeint hatte, die geheime Kraft in sich freizusetzen. Er konzentrierte sich auf sein Inneres, stellte sich vor, dass diese Kraft eine kleine leuchtende Kugel sei, die langsam in seinen Kopf wanderte und ihm die Augen öffnete, und die Ohren.
Er sah so klar wie nie zuvor. Und hörte so gut wie nie zuvor.
Und dann ...
... verstand er das Lied des Windes ...
Sie werden erwachen im Weiten Land, unter den Felsen so schwer , flüsterten die vielen Stimmen des Windes.Â
Goren saà still und hörte zu.
Der Schläfer ist erwacht, mein armes Kind, und für dich gibt es keine Hoffnung.
Es sei denn, du findest den richtigen Weg.
Du musst dorthin, wo deine Wurzeln sind.
Hab keine Furcht, dir ist längst verziehen.
Bald musst du fort, denn er wird kommen.
Er will dich, er will deine Seele, er sucht dich schon so lange.
Hör nicht auf ihn.
»Ich verstehe den Sinn eurer Worte nicht«, wisperte Goren. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter, sein Mund wurde trocken. Normalerweise hatte der Junge vor nichts so leicht Angst.Â
Aus den Wirbeln bildeten sich feine, dünne lange Spinnenfinger, berührten Gorens Gesicht, und er hatte sofort das Gefühl eines eiskalten Hauches, der über ihn strich.
Und dann sangen die Winde:
»Auch wenn du wanderst in dunkler Nacht/
Verzage nie/in dir ist die Macht/
Goldnes Licht sei mit dir/in finstren Stunden/
Deinem Feind bist noch lange du verbunden/
Such deine Kämpfer, such deine Streiter/
Such nach dem einsamen Reiter/
Ein Finstrer/Ein Schatten im silbernen Mondschein da/
Ein Feind/Und doch kein wahrer/
Frage dein Blut/Sprich mit Dreyra/
Die Zackenklinge ist der Bewahrer.«
Goren schlug das Herz nun bis zum Hals. Was hatte dies alles zu bedeuten? Endlich verstand er den Gesang des Windes, doch waren es düstere Prophezeiungen, deren Sinn sich ihm nicht offenbarte.
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