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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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spreche in vollem Ernst, Helene. Keiner von uns liebt diesen oder jenen bestimmten Menschen außer den Dummköpfen, die nur einen kennen. Jeder liebt seine Art, die er überall wiederfindet, sobald er einmal Bescheid weiß.
    Helene:
    Und wenn man seine Art antrifft, dann ist man auch immer sicher, wiedergeliebt zu werden?
    Gerardo:
    Du hast kein Recht, Helene, dich über deinen Gatten zu beklagen! Warum kanntest du dich nicht besser! Jedes junge Mädchen hat seine freie Wahl. Keine Macht der Erde kann ein Mädchen zwingen, einem Manne zu gehören, der ihr nicht gefällt. Es gibt keine Vergewaltigung an Frauen. Das ist ein Unsinn, den nur diejenigen Frauen der Welt einreden wollen, die sich für den oder jenen materiellen Gewinn verkauft haben und sich nachher gern ihren Verpflichtungen entziehen möchten.
    Helene
lächelnd:
    Sie werden kontraktbrüchig?
    Gerardo
sich in die Brust werfend:
    Wenn ich mich verkaufe, dann hat man es wenigstens mit einem ehrlichen Menschen zu tun!
    Helene
lächelnd:
    Wer liebt , der ist nicht ehrlich?
    Gerardo:
    Nein! – Die Liebe ist eine verdammt bürgerliche Tugend! Geliebt sein will der Bauer , der sein Weib mit dem Ochsen zusammen vor den Pflug spannt. Die Liebe ist eine Zufluchtsstätte für Ofenhocker und Feiglinge! – In der großen Welt , in der ich lebe, hat jeder Mensch seinen anerkannten reellen Wert. Wenn sich zwei zusammentun, dann wissen sie ganz genau, wieviel sie voneinander zu halten haben. Brauchen keine Liebe dazu!
    Helene
noch einmal sanft bittend:
    Willst du mich in deine große Welt denn nicht einführen?
    Gerardo:
    Helene – willst du dein ganzes Lebensglück und das Glück der Deinigen für einen flüchtigen Genuß hingeben?!
    Helene:
    Nein.
    Gerardo:
    Versprichst du mir, daß du jetzt ruhig zu den Deinen zurückkehren willst?
    Helene:
    Ja.
    Gerardo:
    Daß du nicht sterben wirst – auch nicht, wie man an einer Krankheit stirbt?
    Helene:
    Ja.
    Gerardo:
    Versprichst du mir das?
    Helene:
    Ja.
    Gerardo:
    Daß du deinen Pflichten als Mutter und als – Gattin genügen wirst?
    Helene:
    Ja.
    Gerardo:
    Helene!
    Helene:
    Ja. – Was willst du mehr! – Ich verspreche es dir.
    Gerardo:
    Daß ich ruhig reisen kann?
    Helene
sich erhebend:
    Ja.
    Gerardo:
    Noch einen Kuß?
    Helene:
    Ja – ja – ja – ja – ja …
    Gerardo
nachdem er sie weitläufig abgeküßt:
    Übers Jahr, Helene, singe ich hier wieder.
    Helene:
    Übers Jahr! – Wie ich mich darauf freue!
    Gerardo
gefühlvoll:
    Helene!
    Helene drückt ihm die Hand, nimmt ihren Muff vom Sessel, zieht einen Revolver heraus, knallt ihn sich vor den Kopf und bricht zusammen.
    Gerardo:
    Helene!
(Wankt nach vorn, wankt nach rückwärts und sinkt in einen Sessel.)
Helene!
    (Pause)
Zehnter Auftritt
    Die Vorigen. Der Liftjunge. Der. Hotelwirt Müller. Der Hoteldiener
    Der Liftjunge
eintretend, sieht auf Gerardo und Helene:
    Herr – Herr Kammersänger!
    Gerardo rührt sich nicht. – Der Liftjunge tritt an Helene heran.
    Gerardo
springt auf, rennt zur Tür und platzt auf Hotelwirt Müller. Ihn nach vorn ziehend:
    Schicken Sie auf die Polizei! Ich muß verhaftet werden! Wenn ich abreise, bin ich ein Unmensch, und wenn ich hierbleibe, bin ich ruiniert, bin ich kontraktbrüchig! Ich habe noch auf die Uhr sehend eine Minute und zehn Sekunden. Rasch, ich muß vorher verhaftet sein!
    Müller:
    Fritz, den nächsten Schutzmann!
    Der Liftjunge:
    Jawohl, Herr Müller!
    Müller:
    Lauf, was du kannst!
    Der Liftjunge ab.
    Müller
zu Gerardo:
    Beunruhigen Sie sich nicht, Herr Kammersänger. So was kommt öfters bei uns vor.
    Gerardo
kniet neben Helene nieder, ergreift ihre Hand:
    Helene! – – Sie lebt noch! Sie lebt noch!
(Zu Müller:)
Wenn ich verhaftet bin, gilt es als Force majeure! – Und meine Koffer?! – Steht der Wagen unten?
    Müller:
    Seit zwanzig Minuten, Herr Kammersänger!
    Geht an die Tür und läßt den Hoteldiener herein, der einen Koffer hinunterträgt.
    Gerardo
über Helene gebeugt:
    Helene! –
(Für sich:)
Schaden kann es mir nicht! –
(Zu Müller:)
Haben Sie denn keinen Arzt rufen lassen?
    Müller:
    Der Doktor ist sofort antelephoniert worden. Wird wohl gleich hier sein.
    Gerardo
Helene unter die Arme fassend und halb aufrichtend:
    Helene! – Kennst du mich denn nicht mehr, Helene! – Der Arzt wird ja im Augenblick hier sein! – Dein Oskar, Helene! – – Helene!!
    Der Liftjunge
in der offengebliebenen Mitteltür:
    Nirgends ein Schutzmann zu finden.
    Gerardo
alles vergessend, springt auf, indem

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