Dramen
läßt mich mein Vater nicht von München fort!
v. Keith
Weil Sie für die große Welt noch zu jung sind!
Hermann
Ich finde aber, daß man in meinem Alter unendlich mehr lernen kann, wenn man wirklich etwas erlebt, als wenn man bis zur Großjährigkeit auf der Schulbank herumrutscht.
v. Keith
Durch das wirkliche Erleben verlieren Sie nur die Fähigkeiten, die Sie in Ihrem Fleisch und Blut mit auf die Welt gebracht haben. Das gilt ganz speziell von Ihnen, dem Sohn und einstigen Erben unseres größten deutschen Finanzgenies. – Was sagt denn Ihr Vater über mich?
Hermann
Mein Vater spricht überhaupt nicht mit mir.
v. Keith
Aber mit andern spricht er.
Hermann
Möglich! Ich bin die wenigste Zeit zu Hause.
v. Keith
Daran tun Sie unrecht. Ich habe die finanziellen Operationen Ihres Vaters von Amerika aus verfolgt. Ihr Vater hält es nur für gänzlich ausgeschlossen, daß irgend jemand anders auch noch so klug ist wie er. Deshalb weigert er sich auch bis jetzt noch so starrköpfig, meinem Unternehmen beizutreten.
Hermann
Ich kann es mir mit dem besten Willen nicht denken, wie ich einmal an einem Leben, wie es mein Vater führt, Gefallen finden könnte.
v. Keith
Ihrem Vater fehlt einfach die Fähigkeit, Sie für seinen Beruf zu interessieren.
Hermann
Es handelt sich in dieser Welt aber doch nicht darum, daß man lebt, sondern es handelt sich doch wohl darum, daß man das Leben und die Welt kennenlernt.
v. Keith
Der Vorsatz, die Welt kennenzulernen, führt Sie dazu, hinterm Zaun zu verenden. Prägen Sie sich vor allen Dingen die allergrößte Hochschätzung für die Verhältnisse ein, in denen Sie geboren sind! Das schützt Sie davor, sich so leichten Herzens zu erniedrigen.
Hermann
Durch meinen Pumpversuch, meinen Sie? Es gibt doch wohl aber höhere Güter als Reichtum!
v. Keith
Das ist Schulweisheit. Diese Güter heißen nur deshalb höhere, weil sie aus dem Besitz hervorwachsen und nur durch den Besitz ermöglicht werden. Ihnen steht es ja frei, nachdem Ihr Vater ein Vermögen gemacht hat, sich einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Lebensaufgabe zu widmen. Wenn Sie sich dabei aber über das erste Weltprinzip hinwegsetzen, dann jagen Sie Ihr Erbe Hochstaplern in den Rachen.
Hermann
Wenn Jesus Christus nach diesem Weltprinzip hätte handeln wollen…!
v. Keith
Vergessen Sie bitte nicht, daß das Christentum zwei Drittel der Menschheit aus der Sklaverei befreit hat! Es gibt keine Ideen, seien sie sozialer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art, die irgend etwas anderes als Hab und Gut zum Gegenstand hätten. Die Anarchisten sind deshalb ihre geschworenen Feinde. Und glauben Sie ja nicht, daß sich die Welt hierin jemals ändert. Der Mensch wird abgerichtet, oder er wird hingerichtet.
(Hat sich an den Schreibtisch gesetzt)
Ich will Ihnen die hundert Mark geben. Zeigen Sie sich doch auch mal bei mir, wenn Sie gerade kein Geld nötig haben. Wie lange ist es jetzt her, daß ihre Mutter starb?
Hermann
Drei Jahre werden es im Frühling.
v. Keith
gibt ihm ein verschlossenes Billet
Sie müssen damit zur Gräfin Werdenfels gehen, Brienner Straße Nr. 23. Sagen Sie einen schönen Gruß von mir. Ich habe heute zufällig nichts in der Tasche.
Hermann
Ich danke Ihnen, Herr Baron.
v. Keith
geleitet ihn hinaus; indem er die Tür hinter ihm schließt
Bitte, war mir sehr angenehm. –
(Darauf kehrt er zum Schreibtisch zurück; in den Plänen kramend)
Sein Alter traktiert mich wie ein Hundefänger. – – Ich muß möglichst bald ein Konzert veranstalten. – Dann zwingt ihn die öffentliche Meinung, sich meinem Unternehmen anzuschließen. Im schlimmsten Fall muß es auch ohne ihn gehen. – –
(Da es klopft)
Herein!
Anna verwitwete Gräfin Werdenfels tritt ein. Sie ist eine üppige Schönheit von 30 Jahren. Weiße Haut, Stumpfnase, helle Augen, kastanienbraunes, üppiges Haar.
v. Keith
geht ihr entgegen
Da bist du, meine Königin! – Ich schickte eben den jungen Casimir mit einem kleinen Anliegen zu dir.
Anna
Das war der junge Herr Casimir?
v. Keith
nachdem er ihr flüchtig die dargereichten Lippen geküßt
Er kommt schon wieder, wenn er dich nicht zu Hause trifft.
Anna
Der sieht seinem Vater aber gar nicht ähnlich.
v. Keith
Lassen wir den Vater Vater sein. Ich habe mich jetzt an Leute gewandt, von deren gesellschaftlichem Ehrgeiz ich mir eine flammende Begeisterung für mein Unternehmen verspreche.
Anna
Aber vom alten Casimir heißt es allgemein, daß er junge
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