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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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zusammengebissen, um dich nicht merken zu lassen, was du für mich bist, aus Angst, dir langweilig zu werden. Aber der gestrige Tag hat mich in einen Seelenzustand versetzt, den kein Weib erträgt. Wenn ich dich nicht so wahnsinnig liebte, Oskar, du würdest mehr von mir halten. Das ist das Furchtbare an dir, daß du das Weib, das eine Welt in dir schätzt, verachten mußt! Ich bin mir nichts mehr, nichts als ein leeres Nichts. Und jetzt, nachdem deine Leidenschaft mich ausgeglüht hat, willst du mich hier lassen! Du nimmst mein Leben mit, Oskar! Nimm dies Fleisch und Blut, das dir gehört hat, auch noch mit, wenn es nicht umkommen soll!
    Gerardo:
    Helene …!
    Helene:
    Kontrakte! Was sind dir Kontrakte! Gibt es denn einen Kontrakt, der sich nicht umgehen läßt! Wozu macht man denn Kontrakte! Gebrauch deinen Kontrakt nicht als Waffe, um mich zu morden! Ich glaube an keine Kontrakte! Laß mich mit dir gehen, Oskar! Du wirst sehen, ob er ein Wort von Kontraktbruch sagt. Er wird es nicht tun, ich kenne die Menschen. Und sagt er etwas, dann ist es immer noch Zeit für mich zu sterben.
    Gerardo:
    Wir haben aber kein Recht aufeinander, Helene! – Es steht dir so wenig frei, mir zu folgen, wie es mir freisteht, eine derartige Verantwortlichkeit auf mich zu nehmen. – Ich gehöre nicht mir selber; ich gehöre meiner Kunst …
    Helene:
    Laß mich mit deiner Kunst in Ruhe! Was kümmert mich deine Kunst ! – Ich habe mich an deine Kunst geklammert, um von dir beachtet zu werden. Hat der Himmel einen Menschen wie du geschaffen, damit er sich allabendlich zum Hanswurst macht! Schämst du dich nicht, damit noch zu prahlen! Du siehst, daß ich mich darüber hinwegsetze, daß du Künstler bist. Worüber sieht man bei einem Halbgott, wie du es bist, nicht hinweg! Und wenn du ein Sträfling wärest, Oskar, ich könnte nicht anders fühlen! Ich habe ja keine Gewalt mehr über mich! Ich läge vor dir hier im Staube, wie ich hier liege! Ich würde deine Barmherzigkeit erflehen, wie ich es jetzt tue! Ich wäre an dich verloren, wie ich an dich verloren bin! Ich hätte den Tod vor Augen, wie ich ihn vor Augen habe!
    Gerardo
lachend:
    Du, Helene, den Tod vor Augen! – Frauen, die so reich wie du für den Genuß des Lebens begabt sind, bringen sich nicht um. Du kennst den Wert des Daseins besser als ich. Du bist glücklich genug organisiert, um das Leben nicht wegzuwerfen. Das tun andere – Halbmenschen, Zwerggeschöpfe – die die Natur wie Stiefkinder bedacht hat.
    Helene:
    Oskar – ich habe ja nicht gesagt, daß ich mich erschießen werde! Wann habe ich das gesagt? Wo sollte ich denn den Mut dazu hernehmen! Ich sage, ich werde sterben , wenn du mich nicht mitnimmst, sterben, wie man an jeder Krankheit stirbt, weil ich nur lebe, wenn ich bei dir bin! Ich kann ohne alles leben – ohne Heim, ohne Kinder, aber nicht ohne dich , Oskar! Ich kann nicht ohne dich leben!
    Gerardo
    beklommen: Helene – – wenn du dich jetzt nicht beruhigen kannst! – Du setzt mich einer furchtbaren Notwendigkeit aus! Ich habe noch zehn Minuten. Ich kann die Szene, die du mir hier machst, nicht als eine Force majeure ins Feld führen! Ich kann mich mit deiner Aufregung vor keinem Richter rechtfertigen. – Ich kann dir noch zehn Minuten widmen! Wenn du dich derweil nicht beruhigst, Helene – – ich kann dich in dem Zustand nicht dir selber überlassen !
    Helene:
    Soll mich die ganze Welt hier liegen sehen!!
    Gerardo:
    Bedenke, was du damit aufs Spiel setzt!
    Helene:
    Als hätte ich noch etwas aufs Spiel zu setzen!!
    Gerardo:
    Du kannst deine gesellschaftliche Stellung dabei verlieren!
    Helene:
    Dich kann ich verlieren!!
    Gerardo:
    Und deine Angehörigen?
    Helene:
    Ich kann keinem andern mehr angehören als dir!
    Gerardo:
    Ich gehöre dir aber nicht!
    Helene:
    Ich habe nichts mehr zu verlieren als mein Leben!
    Gerardo:
    Und deine Kinder?!
    Helene
emporfahrend:
    Wer hat mich ihnen geraubt, Oskar! Wer hat mich meinen Kindern geraubt!
    Gerardo:
    Habe ich mich dir angetragen?!
    Helene
in höchster Leidenschaft:
    Nein, nein! Glaub das nicht! Ich habe mich dir an den Hals geworfen und würde mich dir heute wieder an den Hals werfen! Kein Mann, keine Kinder hielten mich zurück! Wenn ich sterbe, dann habe ich gelebt, Oskar! Durch dich gelebt! Das danke ich dir , daß ich mich erkannt habe! Das danke ich dir , Oskar!
    Gerardo:
    – Helene – höre mich ruhig an …
    Helene:
    Ja, ja – noch zehn Minuten …
    Gerardo:
    Höre mich ruhig an …
    Beide auf dem

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