Dramen
maßlosem Freudenschreck
Alma?! Mein Kind?! – O tierische Bosheit!
Alma
O Vater, ich kann Euch ja nicht umarmen! Ich bringe Euch diesen Krug mit Wein.
Der König
nach Atem ringend, beide Hände auf der Brust
O satanische Grausamkeit! –
(nimmt ihr den Krug ab und setzt ihn beiseite.)
Wo kommst du her, mein Kind? – Zwölf Monde lechze ich nach deinem Anblick! Du lebst noch; du bist gesund und wohl. Sprich, wie ergeht es dir unter den elenden Menschen?
Alma
Wir haben nur einen kurzen Augenblick! Endlich gelang es mir, den Wärter zu bestechen; und von nun an läßt er mich jede Woche einmal zu Euch kommen. Sagt mir rasch, wie ich Eure Leiden mildern kann!
Der König
Meine Leiden? – Ja! Welch ein Vater bin ich, daß ich mein Kind der Welt schutzlos überantworte! Das sind meine Leiden! – Sonst danke ich Gott jeden Tag, daß ich durch diese sechsfußdicken Mauern von der Menschheit getrennt und vor ihr in Sicherheit bin!
Alma
Ihr seht mir wohl an, mein Vater, daß die Menschen lieb zu mir sind. Ich stehe noch bei dem Gerichtsschreiber in Dienst. Sagt mir nur, was ich Euch bringen darf, um Eure Kräfte zu stärken. Welch' furchtbare Qualen müßt Ihr hier erduldet haben!
Der König
Nein, nein, mein Kind! Bring mir nichts Fremdes in diese Einsamkeit. Du weißt ja nicht, mit welcher Windeseile die Zeit hier verfliegt! Zu Anfang hatte ich siebenhundertunddreißig Striche in jene Mauer gekritzelt, um jeden Tag die Freude zu haben, einen auszulöschen. Aber wie bald mußte ich sie wochenweise, mondenweise tilgen. Und jetzt sehe ich nur noch mit Grauen, wie rasch ihrer weniger werden, bis der letzte dahin ist und ich wieder unter überhängenden Felsen Obdach suche und mich mit den Wölfen um ihre Jagdbeute reiße! – Aber laß dich meine Worte nicht betrüben! Du kannst ja nicht wissen, wie mich der Wärter auf dein Kommen vorbereitete!
Alma
Mit stummem Entsetzen denke ich, wie teuflisch er Euch martern wird!
Der König
Was du dir einbildest! Dazu müßte er kein schwacher Erdenwurm sein. Mit meiner Empfindungslosigkeit hält keine Grausamkeit gleichen Schritt. Weißt du, daß er, ohne die geringste Klage von mir gehört zu haben, hier schon Thränen des Mitleids vergossen hat? Wer ist auch so entartet, daß er nicht dankbar wird, wenn sein besseres Selbst unverhofft Anerkennung findet! – Die Freude, dich, mein Kind, wiederzusehen, konnte er mir freilich nicht ungetrübt gönnen. Aber das liegt an der feigen Angst, die sein Beruf ihm einflößt. Der arme Mensch ist so eifersüchtig auf die lächerliche Scheingewalt, die er mit seinem großen Schlüsselbund ausübt, daß er durch die Gnade, die er mir heute erweist, schon völlig überflüssig zu werden fürchtete. Aber, hast du nicht Mangel gelitten, um die Gunst dieses Schurken zu erkaufen?
Alma
Redet nicht von mir, mein Vater! Die Zeit vergeht, und ich weiß nicht, wie ich Euch helfen kann!
Der König
Ich weiß es wahrhaftig auch nicht! – Wäre ich ein tüchtigerer Mensch, dann erschiene mir mein Schicksal vielleicht bedauernswürdig. Armselig, wie ich bin, zittre ich nur vor dem Augenblick, wo mich keine eisenbeschlagene Thüre mehr schützt, wo kein Gitterfenster mehr hindert, daß man zu mir hereinsteigt, wo ich wieder unter Menschen stehe, mit denen ich keine Verständigung finde und von deren Treiben ich nun erst recht durch den Spruch des Gerichtes ausgeschlossen bin. – Wüßtest du, wie schmerzlos in dieser Einsamkeit die klaffenden Wunden der Seele vernarben! Die Richter glaubten meine Strafe zu verschärfen, indem sie mich zu Einzelhaft verurteilten. Wie inbrünstig habe ich ihnen schon dafür gedankt, daß ich hier nicht mit Menschen zusammen zu leben brauche!
Alma
in Thränen ausbrechend
Heiliger Gott im Himmel! Dann mögt Ihr mich hier wohl auch nicht mehr bei Euch sehen!
Der König
sie liebkosend
Ich belohne deine Opfer durch Unmut und Verdrossenheit. Die Gedanken werden schwer und ungefügig, wenn der Mensch tagaus tagein im Gespräch mit sich selbst verharrt. – Nur um das eine bitte ich dich: Wird mir die Freiheit zurückgegeben, dann überlaß mich meinem Geschick – nicht für immer – nur so lange, bis ich mich deiner Seelengröße würdig erwiesen.
Alma
O nimmermehr! Verlangt nicht, daß ich Euch je verlasse! Es kann uns in Zukunft doch unmöglich wieder so schlimm ergehen wie zuvor!
Der König
Dir nicht. Das glaube ich gern.
Alma
In dieser Dunkelheit hat sich Eurer armen Seele die Melancholie
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