Dramen
Methusalah,
Den grauenvollen Wahn vergeß ich nie!
Denn unterm Schleier der verschämten Nacht,
Da flammt die Fackel auf! Da lodert wild
Verzehrend Feuer durch die heißen Glieder!
Da feiern alle Laster Sieg! Da jubelt
Die geile Hölle! Das Verbrechen schwelgt
Im Überfluß! Und was der greise Wüstling,
Von Brunst gemartert, nicht ersann, das taumelt
Als längst befreundet vor die trunknen Sinne! –
O sei gepriesen, goldnes Tageslicht!
Alma
zum Publikum
Damit ist nun zu Ende mein Gedicht.
Verzeiht, wenn sein Gezeter Euch betrübte!
Ich wollt' Euch nur das allgemein beliebte
Uralte Akrobatenkunststück zeigen,
Gestus
Sich selber auf den Kopf zu steigen!
König Pietro
zum König
Und das nennst du eine Posse, lieber Freund?! Du siehst, daß mir die Thränen in die Augen drangen!
Der König
nachdem er die Krone abgenommen
Wollen Eure Majestät glauben, daß das Stück überall als eine harmlose Posse aufgefaßt wurde.
König Pietro
Das will ich dir nicht glauben! Sollten meine Unterthanen so rohen Gemütes sein? Oder wie erklärst du mir das?
Der König
Darüber kann ich Eurer Majestät nicht Rede stehen. So ist das Leben.
König Pietro
Wohlan denn, wenn das Leben so ist, dann soll mein Volk dich nicht eher wieder hören, als bis es dich auch versteht, denn sonst untergräbt dein Spiel nur die Würde meines Amtes. Leg den Mantel ab und tritt vor mich!
Der König legt den Mantel, den Bart und die Perücke ab und steigt die Stufen hinab.
König Pietro
Ich kann einem Menschen, der sein Dasein durch Einsammeln von Groschen fristete, kein Staatsamt übertragen. Aber nimmer soll meine Königswürde mich hindern, mir den Mann, dessen Geistesgaben ich unter Thränen bewunderte, zum allernächsten Begleiter. zu wählen! Dicht neben dem Thron steht ein Posten leer, den ich bis heute unbesetzt ließ, weil ich der Thorheit keinen Platz einräumen will, wo auch die größte Menge von Klugheit zu gering ist. Du aber sollst diesen Posten einnehmen. Rechtlos und machtlos sollst du sein gegenüber dem letzten Bürger meines Staates! Aber deine hohe Denkungsart soll zwischen mir und dem Volke stehen, zwischen mir und den Räten der Krone, sie soll sich ungestraft zwischen mich und mein Kind drängen dürfen. So wie dein Geist dort auf der Bühne aufrecht zwischen dem Herrscher und seinen düstren Begierden stand, so soll er in meinem Innern gebieten! Ich ernenne dich zu meinem Hofnarren. – Folge mir!
(Er wendet sich zum Gehen)
Der Theaterbesitzer
wirft sich händeringend und mit Thränen in den Augen vor König Pietro in die Knie
Moriturus te salutat! Euer großmächtigsten Majestät allerunwürdigster Theaterbesitzer hat diesen erhabenen Tragöden eigenhändig vom Galgen geschnitten und wird durch Euer großmächtigsten Majestät allergnädigste Wahl für dieses Leben vernichtet!
König Pietro
Wir erteilen dir auf zwanzig Jahre das Privilegium, unbesteuert Vorstellungen geben zu dürfen.
Der König
Möge Eure Majestät erwägen, daß ich dieses unmündigen Kindes Vater bin und daß dem Vater Eure Gnade höher steht als dem Schauspieler, da er hoffen darf, sein Kind brauche nunmehr sein wahres Wesen nicht länger zu verleugnen.
König Pietro
So ward mein Blick getäuscht?!
(Zu Alma)
Deine verwegenen Aussprüche möchte ich aus eines Weibes Munde nicht noch einmal hören.
(Zum König)
Laß dein Kind dir folgen!
Er verläßt mit dem Prinzen das Theater
Fünfter Akt
Thronsaal.
Der König in höfischer Kleidung. Sein Amt als Hofnarr ist diskret durch eine entsprechende Kopfbedeckung angedeutet; in der schlaffen Hand hält er einen kurzen Narrenstab. Er sieht auffallend gealtert aus; sein blutleeres Gesicht ist tief gefurcht und seine Augen erscheinen doppelt größer als früher.
Der König
Sonderbar ist doch dieses Leben! Während langer Jahre unter Entbehrungen jeder Art fühlte ich die Kräfte meines Körpers täglich wachsen. Jede Morgensonne fand mich munterer an Geist, fand meine Muskeln widerstandsfähiger. Kein Mißgeschick ließ mehr Zweifel an der Unverwüstlichkeit meiner Natur in mir aufkommen. Und seit ich hier in Sorglosigkeit und Wohlsein lebe, schrumpfe ich ein wie ein Apfel im Frühling. Schrittweise fühle ich das Leben sich von mir entfernen; und die Ärzte gestehen einander unter Achselzucken und mit langen Gesichtern, daß sie den Verfall nicht begreifen. – – Sollte ich einst in diesen Hallen geherrscht haben? Täglich seit meinem Hiersein wiederhole ich mir die
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