Dramen
Frage und täglich erscheint sie mir widersinniger. Mir wird so schwer, daran zu glauben, als wollte mir jemand einreden, ich hätte schon einmal auf einem anderen Himmelskörper gelebt. König Pietro ist der würdigste Fürst, der je einen Thron inne hatte, und ich bin in all seinen Staaten der Letzte, der mit ihm tauschen möchte. Das ist allabendlich mein letztes Wort, ein Wort, das mich nicht von trockener Gefängnisluft träumen läßt, sondern von triefenden, sturmgebeugten, klagend rauschenden Baumwipfeln, von endlosen düstren Haiden, von unberührtem Morgentau auf buschigem Gras und von dem wackligen Karren, der ein tollkühnes Landstreichervolk von Flecken zu Flecken schleppt und auf dessen schwanken Leitern Aller Herzen mir entgegenschlugen, unschlüssig zwischen Bedauern und Ehrfurcht. – Ein eigentümlicher Krampf macht sich seit einigen Tagen in meinem linken Arm bemerkbar. Das ist nicht Gicht; das ist nicht Altersschwäche. Aber eh' die hemmende Membran zerspringt, habe ich ein Werk noch zu vollenden. Laß michs vollenden, o Schicksal, daß wir, einander dankbar, in Freundschaft scheiden! Mit all der Vorsicht, die mein Leben als einzigen Ertrag mir abgeworfen, habe ich es eingefädelt. Oder sollte ich wieder der Genarrte sein? Bedurften die stürmischen jungen Herzen meiner Hilfe gar nicht? Messe ich mir nur in eitler Selbstüberhebung das Verdienst bei, ihre Vereinigung zu fördern? Wer öffnet mir die Augen über mich?! Blind wie ich kam, soll ich gehen?! – – Ich gehe und – horche! Dann brauche ich mich doch später nicht erst auf die Antworten zu besinnen. –
(Ab)
König Pietro und Erbprinz Filipo treten auf
König Pietro
Ich ließ bei den Medici in Florenz anfragen, ob man geneigt ist, dir eine Tochter zur Frau zu geben. Eben erhalte ich die Nachricht, daß die Medici im Vertrauen auf die Festigkeit unserer Herrschaft eine solche Verbindung sehr willkommen heißen.
Filipo
Bevor Ihr das thatet, mein gnädiger Vater, habe ich Euch schon des allerbestimmtesten erklärt, daß ich niemand anders heiraten werde, als Donna Alma, die Tochter Alexandrions!
König Pietro
aufbrausend
Die Tochter meines Hofnarren! Du gehörst in die Werkstatt zurück, aus der du gekommen bist.
Filipo
Dann laßt mich in die Werkstatt zurückkehren, mein gnädiger Vater!
König Pietro
Mag dieses Mädchens Tugend auch über alle Zweifel erhaben sein, die allgemeine Wohlfahrt fordert, daß du eine Fürstentochter zum Weib nimmst. Wolltest du um die Tochter eines Bürgers von Perugia freien, ich könnte darin, ohne unserer eigenen Herkunft ins Gesicht zu schlagen, gleichfalls keine deiner unwürdige Verbindung erblicken. Trotzdem wäre deine Wahl ein Verbrechen am Staatswohl, da sie Parteinahme und Gewaltthätigkeiten unter den Bürgergeschlechtern zur Folge hätte. Wählst du deinem Volk aber eine Königin allerdunkelster Herkunft, dann zeigst du ihm im voraus, daß du die Pflichten des Fürsten mißachtest. Wer will berechnen, welche Erben dir aus einer solchen Verbindung erwachsen! Statt mit Vertrauen wird man deinem Regierungsantritt mit verbissener Scheu, mit Geringschätzung und Überhebung, mit Angst und Widerspenstigkeit entgegensehen. Brachte ich König Nicolo zu Fall und trieb ihn zum frühen Tode, auf daß schon mein Sohn wieder in der heillosen Verblendung beginnt, die ihn Thron und Leben kostete?! Deshalb gerade stellte ich mir Alexandrion zur Seite, weil er über diese ernstesten Fragen nachgedacht hat!
(Eine Portiere hebend)
Man rufe den Narren! – – Jetzt soll er mir zeigen, ob seine Weisheit auch gegenüber den Banden des Blutes standhält! Jetzt soll er mir zeigen, ob er selber nach seinen Aussprüchen handelt, wie ich es thue, oder ob er auch nur ein kurzatmiger Prahler ist?
Der König
eintretend
Was befiehlt mein teurer Gebieter?
König Pietro
Deine Ratschläge in Stunden furchtbarster Gefahr haben mich dir zu Dank verpflichtet. Hätte ich mich in schweren Entscheidungen nicht willenlos von deiner abwartend besonnenen, heimtückischen Verschlagenheit leiten lassen, wir ständen heute vielleicht unter fremder Botmäßigkeit. Jetzt fordere ich aber ein Opfer, das du dem Staate und unserer Regierung als Vater deines Kindes schuldest. Ich räumte deinem Verstande rückhaltlos die Macht ein, zwischen mir und meinem Blute obzuwalten, ohne zu ahnen, wie bald ich ihn auffordern müßte, sich zwischen dich selbst und dein eigenes Kind zu stellen. Dieser Prinz fordert deine Tochter von mir zum
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