Dramen
gar nicht mehr leicht ins Werk setzen. Im Kampf mit der Staatsgewalt begegnet einem die Behörde auch im schlimmsten Fall noch mit solcher Förmlichkeit, daß eine Hinrichtung wie eine zu Ehren des Hingerichteten veranstaltete würdevolle Feierlichkeit erscheint.
FANNY.
Dann schlagen Sie sich also diese Gedanken aus dem Kopf und gehen Sie wieder unter Menschen!
HETMANN.
Das wird wohl das beste sein. – Ich kann mir ja auch kaum mehr verhehlen, daß all meine Überzeugungen auf Irrtümern beruhten. Überall wo Tatkraft und Gesundheit Lebensziele sind, gedeiht die Schönheit ganz von selbst, als die verlockende Blütenpracht, deren schönste Frucht wieder Tatkraft und Gesundheit sind! Ich wollte die Menschen verleiten, Erntefeste zu feiern, ohne daß Ernten eingebracht waren. Ich wollte sie verleiten, Richtfeste zu feiern, ohne daß Häuser gebaut waren … so wie ich auch darauf ausging, mir mein eigenes Dasein zu einer Reihe von Festtagen zu gestalten.
(Um sich blickend.)
Und für diesen Irrtum ist mir nun auch ein so trostloses, so eines jeden Schimmers von Schönheit entblößtes Dasein beschieden, wie es der bescheidenste Tagelöhner kaum ertrüge.
(Fanny ansehend.)
Sollte ich nicht wirklich noch einmal den Versuch wagen, eine einfache bürgerliche Betätigung auf mich zu nehmen, in der Zuversicht, daß dadurch wenigstens vielleicht ein kärglicher Schein von Schönheit in mein Leben fiele? – –
(Da es klopft.)
Sehen Sie doch mal nach, wer da kommt.
Fanny öffnet die Tür, worauf Berta Launhart eintritt.
FANNY.
Ach, du bist es, Berta!
BERTA
faßt die Anwesenden scharf ins Auge.
Ich sehe euch beiden an, wie unwillkommen ich mich hier einfinde. Aber ich bringe Neuigkeiten, die vor allem Herrn Hetmann nicht gleichgültig lassen werden.
FANNY.
Wie könntest du für mich hier unwillkommen sein! Aber deine Neuigkeiten sind hoffentlich derart, daß man sich darüber freuen muß!
BERTA.
Gewiß muß man sich darüber freuen! Ich wenigstens habe mich von Herzen darüber gefreut! Ist es nicht eine Lust mit anzusehen, wie die Gemeinheit überall in der Welt zum Siege gelangt, während das Große, das Gute, wie es hier in diesen vier Wänden geschieht, elend verkümmert?!
HETMANN.
Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, mein Fräulein?
BERTA
zu Fanny.
Willst du auch jetzt noch behaupten, daß ich mich hier nicht unwillkommen einfinde?! – So will ich mich denn an die Tatsachen halten! Mein Bruder hat sich in Paris eine Wohnung für fünf zehntausend Francs gemietet. Die Abonnentenzahl unseres Blattes ist durch den vorjährigen Prozeß, in dem Sie, Herr Hetmann, verurteilt wurden, auf achtzigtausend gestiegen. Das sichert meinem Bruder ein Einkommen von zweimalhunderttausend Mark im Jahr. Jetzt läßt er durch seinen Schwiegervater alle erdenklichen Notabilitäten bearbeiten, um seines Preßvergehens wegen begnadigt zu werden. – Aber das ist noch nicht das schönste! Pietro Alessandro Morosini, Ihr Großmeister unwiderstehlichen Angedenkens, wenn Sie sich seiner noch erinnern, Herr Hetmann, der führt seit dem Tage Ihrer Verhaftung ein Freudenleben wie der große Mohammed in seinem Paradies. Alles was ihm an holder Weiblichkeit aus den Trümmern des Vereins zur Züchtung von Rassemenschen in den Sprung läuft, muß seiner Großmeisterschaft den schuldigen Tribut zollen. Dabei weiß er das Glück nicht hoch genug zu preisen, daß ihn kein knausriger Vereinssekretär mehr veranlaßt, seine Würde zu wahren. Er rühmt sich, daß ihm sein Amt als Großmeister jetzt höhere Summen Geldes abwirft, als er jemals in seinem Leben mit seinem Baßbariton hätte verdienen können!
HETMANN.
Gedachten Sie mir durch diese Neuigkeiten ein Vergnügen zu bereiten?
BERTA.
Schmeicheleien verstehe ich allerdings nicht auszuspielen. Dazu ist mir das Leben zu ernst. Vielleicht lernen Sie aber doch noch die Galgenbrut, die nur daran denkt, Ihre Person in Gold auszumünzen, von den wenigen unterscheiden, die es wirklich ehrlich mit Ihnen meinen!
HETMANN.
Ich danke Ihnen von Herzen, mein Fräulein, aber ich glaube Ihrer Ratschläge nicht zu bedürfen.
FANNY.
– Wir könnten doch vielleicht über gleichgültigere Dinge reden, liebe Berta. Herr Hetmann scheint mir heute nicht zur Erörterung von Fragen aufgelegt, die eine so große Bedeutung für ihn haben.
BERTA.
Aus deinen Worten, liebe Fanny, spricht die unverhüllte Eifersucht! Trägst du Herrn Hetmann gleichgültige Dinge vor, wenn du mit ihm allein bist?! –
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