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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Du hast mir bei allem, was dir heilig, geschworen, daß meine Vermutungen damals unbegründet waren. Ich sage es dir hier ins Gesicht: du hast mich belogen!
    HETMANN
zu Berta.
    Mein Fräulein, wollen Sie mich bitte allein lassen.
    BERTA.
    Auf diesen Peitschenhieb von Ihnen habe ich gewartet! Wie wohl der tut! Ich kann mir freilich nur einen schwachen Begriff davon machen, wie süß es ist, von Ihnen geliebt zu werden. Wie wonnig es ist, Peitschenhiebe von Ihnen zu erhalten, davon machen Sie sich keinen Begriff! Aber Sie haben mich diesen Genuß gelehrt und deshalb gehe ich jetzt auch noch nicht! Dazu ist mir der günstige Augenblick in seiner Unwiederbringlichkeit zu teuer!
    Es klopft.
    HETMANN.
    Herein!
    Walo von Brühl tritt ein. Er trägt eine goldene Brille. Sein Benehmen ist um vieles gemessener als im zweiten Akt.
    BERTA.
    Gott sei Dank, daß Sie kommen, Herr von Brühl! Vielleicht gelingt es Ihrem noch unverbrauchten Geiste, diese brodelnde Gärung überreifer Kulturprodukte etwas zu klären.
    VON BRÜHL.
    Herr Hetmann, ich komme heute zu Ihnen, um über eine für mich sehr wichtige Angelegenheit mit Ihnen zu sprechen.
    HETMANN.
    Wie kann ich in meiner Weltabgeschlossenheit für Sie noch in Betracht kommen!
    Die Herren nehmen Platz, die Damen hören stehend zu.
    VON BRÜHL.
    Um es kurz zu sagen, Herr Hetmann, ich stehe im Begriff, meine Doktorarbeit zu schreiben. Von meinen Professoren wurden mir verschiedene philosophische Streitfragen für meine Arbeit empfohlen. Ich will meine Doktorarbeit aber über Ihre Lehre schreiben und über die philosophischen Voraussetzungen, durch die Ihre Lehren entstanden sind.
    HETMANN.
    Die Sache hat ausgespielt. Mit gutem Gewissen kann ich Ihnen nur davon abraten.
    VON BRÜHL.
    Das tun meine Professoren natürlich erst recht. Erlauben Sie mir, Herr Hetmann, daß mir hierin nur meine Überzeugung maßgebend ist. Aber Sie erinnern sich vielleicht, daß Sie in Ihren Gesprächen unsere bisherige Moral als willkürlich begrenzt bezeichneten, insofern als sie nur das Wohl und Weh der gesamten Menschheit ins Auge faßt, während der Kultus der Schönheit auf Gefahr der eigenen Wohlfahrt hoch dar überstände. – Und dann sprachen Sie oft von drei barbarischen Lebensformen, die sich aus dem Altertum in unsere Kultur hinüber verpflanzt hätten. – Der Zusammenhang, in den Sie diese beiden Tatsachen zueinander brachten, ist mir nicht mehr klar in Erinnerung. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich mit einigen Worten auf die richtige Fährte führen wollten.
    HETMANN
spricht zu Anfang fast gleichgültig, geht dann aber bald in leidenschaftlich rasches Tempo über.
    Ich nenne die alte Moral begrenzt, weil sie für den Armen erdacht ist und mit unzweideutiger Klarheit den Reichen ausschließt. Unzweifelhaft bedarf der Reiche, bei Wahrung seiner Güter, anspruchsvollerer Gesetze als der Arme. Durch dieses Axiom hoffte ich den Stolz der begüterten Menschheit zu entflammen und zum Kampfgenossen zu gewinnen. Jeder, so glaubte ich, dem sein Glück es vergönnt, wird das Wagnis, sich einer neuen Denkungsart anzuvertrauen, dem Bewußtsein eines gesicherten Besitzes vorziehen. Die Rechnung war falsch. Der Reiche hat die für den Armen erdachte Moral usurpiert und zieht größeren Vorteil daraus als der Arme, für den sie erdacht wurde. Der Reiche setzt eher sein Leben für seinen Reichtum als seinen Reichtum für sein Leben aufs Spiel.
    VON BRÜHL.
    Und die drei barbarischen Lebensformen, von denen Sie sprachen? – Ich bitte Sie, verdenken Sie es Ihrem Schüler nicht, wenn er aus Verehrung für die Lehre vielleicht die Ehrfurcht vor dem Meister zu verletzen scheint.
    HETMANN.
    Der nächste Freiheitskampf der Menschheit wird gegen den Feudalismus der Liebe gerichtet sein! Die Scheu, die der Mensch seinen eigenen Gefühlen gegenüber hegt, gehört in die Zeit der Hexenprozesse und der Alchimie. Ist eine Menschheit nicht lächerlich, die Geheimnisse vor sich selber hat?! Oder glauben Sie vielleicht an den Pöbelwahn, das Liebesleben werde verschleiert, weil es häßlich sei?! – Im Gegenteil, der Mensch wagt ihm nicht in die Augen zu sehen, so wie er vor seinem Fürsten, vor seiner Gottheit den Blick nicht zu heben wagt! Wünschen Sie einen Beweis? Was bei der Gottheit der Fluch, das ist bei der Liebe die Zote! Jahrtausende alter Aberglaube aus den Zeiten tiefster Barbarei hält die Vernunft im Bann. Auf diesem Aberglauben aber beruhen die drei barbarischen Lebensformen, von denen ich sprach:

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