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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Gefängnis kamen.
    HETMANN.
    Wenn es weiter nichts ist! Das lohnt sich freilich der Worte nicht! –
(Nachdenklich.)
Das ist also heute wirklich schon ein ganzes Jahr her?
    FANNY.
    Jetzt sehen Sie aber besser aus als damals.
    HETMANN.
    Das wundert mich. Jedenfalls war mir, als ich vor einem Jahr aus dem Gefängnis kam, wohler zumute. Ich hatte noch keine Ahnung, daß während der kurzen sechs Monate meiner Haft alles bis auf die Wurzeln zugrunde gegangen war, was ich in zwei Jahren gesät und großgezogen hatte.
    FANNY.
    Sie müssen jetzt vorwärts schauen. Es verlohnt sich selten, Verlorenes wiedergewinnen zu wollen.
    HETMANN.
    Gewiß, aber wie war das in so kurzer Zeit nur möglich! Oft frage ich mich, ob der stürmische Beifall, den mein Auftreten erweckte, nicht vielleicht nur in meiner Einbildung bestanden hat. Aber waren nicht auch die maßgebendsten Persönlichkeiten bereit, meine Pläne zu unterstützen?! – Und all das versinkt in sechs Monaten spurlos im Erdboden, und bei meinem Wiedererscheinen will sich kaum ein Mensch mehr meiner erinnern!
    FANNY.
    Glauben Sie mir, Ihr Werk wird wieder aufblühen; vielleicht in anderen Formen. Aber die Gedanken, die Sie aussprachen, werden nicht verlorengehen.
    HETMANN.
    Wenn sich heute jemand auf den Markt stellt und preist dem Volk meine Anschauungen an, dann wird er verlacht, als böte er faule Fische und saures Bier feil! – Ich habe meine Zuflucht in
(Nach dem Schreibtisch zeigend.)
dieser Arbeit hier gefunden, bei der ich mich außer von Ihnen von niemandem stören lassen würde. Aber was ist bedrucktes Papier gegen die Machtmittel der öffentlichen Rede! Trotzdem wünsche ich nur noch, diese Arbeit beendigen zu können. Nachher komme ich nicht mehr für mich in Betracht.
    FANNY.
    Ihnen fehlt ein voller Pokal aus dem erfrischenden Quell, den nur das wirkliche Leben spendet.
    HETMANN.
    Einen tiefen Zug möchte ich allerdings noch einmal aus diesem Pokale tun.
    FANNY.
    Sie brauchen keine leidenschaftlichen Frauen, die Sie mit Ihren Gefühlsausbrüchen auf die Folter spannen. Sie brauchen einfältige hübsche Mädchen, und nur nicht eine allein, sondern gleich ein halbes Dutzend, in deren Kreis Sie wieder Leichtfertigkeit und Dummheit und Harmlosigkeit als unsere unentbehrlichsten Freunde schätzenlernen.
    HETMANN.
    Wissen Sie vielleicht einen solchen Kreis?
    FANNY.
    Spräche ich sonst wohl davon?
    HETMANN.
    Als wäre ich je in meinem Leben auf etwas anderes als nur auf den Genuß ausgegangen! Seit ich zu denken begann, kämpfe ich um Erhöhung meines Lebensgenusses! Aber mir scheint, ich bin am Ende. Nicht einmal Unterhaltung bietet die Welt mehr! – – Freilich ließe sie sich vielleicht noch einen letzten, einen höchsten Genuß abtrotzen! Aber das ist ein kitzliches Unternehmen.
    FANNY.
    Welch ein Unternehmen meinen Sie damit?
    HETMANN.
    Ich meine die Arbeit, die ich dort liegen habe. – – Ich gehöre nun einmal nicht zu den Menschen, die sich mit dreißig Jahren von ihren Träumen und Erwartungen verabschieden! Ich bin vierzig und meine Träume sind kindlicher, meine Erwartungen sind anspruchsvoller, meine Hoffnungen sind herrlicher als je vorher!
    FANNY.
    Wie danke ich Gott, daß ich endlich wieder solche Worte von Ihnen höre! Aber nun verlassen Sie auch diese vier Wände! Müssen, Sie die Welt, wie sie geschaffen ist, denn nicht um so genauer im Auge behalten, je höher Sie sich im Geiste darüber stellen wollen?!
    HETMANN.
    Ich behalte sie schon im Auge. – – Mein Werk ist hin. – Ein Mittel gibt es nur! Durch dieses Mittel ließe sich die Saat zu neuem Wachstum, zur Blüte, vielleicht zu unverwüstlichem Gedeihen bringen!
    FANNY.
    Und dieses Mittel?
    HETMANN.
    Hingabe!
    FANNY.
    Was taten Sie in all den Jahren denn anderes, als daß Sie Ihr Leben an Ihr Werk hingaben?!
    HETMANN.
    Das war Zeitvertreib!
    FANNY.
    Haben Sie denn sonst noch etwas hinzugeben?
    HETMANN.
    Ich habe, wie Sie sehen, noch alles. – Natürlich müßte alle Welt erfahren, zu welchem Zweck es geschah.
    FANNY.
    Ich kann Ihre Worte unmöglich ernst nehmen.
    HETMANN.
    Dazu spreche ich auch nicht Ich berausche mich nur zuweilen an derlei Träumereien, des Abends bevor ich die Lampe anzünde.
    FANNY.
    Denken Sie einmal, ein Stanley hätte das Innere Afrikas dadurch erforschen wollen, daß er sich den Hals abschneidet! – Nein, nein! – Ich halte das Mittel, von dem Sie da sprechen, für vollkommen unzeitgemäß.
    HETMANN.
    Selbstverständlich! Das Unternehmen ließe sich auch heute

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