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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Opfer zu groß ist. Sie werden dazu kommen, mit noch höherer Selbstverleugnung das Gegenteil zu beteuern. Sie werden sich vollkommen darüber klar sein, daß Sie selbst den ungestörten Verlauf der Begebenheit zu überwachen haben.
    FANNY.
    Das gelingt Ihnen nie! Dazu bringt mich all Ihre Überredung nicht! Behüte Sie der Himmel davor, daß Sie sich von Ihren Gedanken ins Verderben treiben lassen! Sie wären schon der Mensch, der sich achtlos wegwirft!
(Sinkt vor ihm in die Knie.)
Wie befreie ich Sie aus diesem Labyrinth! Ich flehe Sie an, lassen Sie diesmal Ihre allergewöhnlichste Vernunft Herrin sein! Ihre Gedanken sind herrlich! Was sind wir Augenblicksgeschöpfe dagegen, an die Sie in Ihren Plänen denken! Die Klugen verspotten Sie als Dummkopf; die Dummköpfe bejammern Sie als Unglücksmenschen! Ich beschwöre Sie – bei dem Werk, das Sie zu vollenden haben – lassen Sie sich nicht in dieses entsetzliche Netz verstricken!
    HETMANN
sucht sie aufzurichten.
    Fanny – soll ich statt Ihrer jemand anders damit beauftragen?!
    FANNY.
    Oh, ich kenne Ihre Starrköpfigkeit! Wählen Sie niemand anders dafür!
    HETMANN.
    Ihre Gefühlsausbrüche sind kindisch! Stehen Sie auf!
(Er hebt sie empor.)
Achten Sie auf mich! – Hörten Sie gerne sagen: Der Geck wußte nicht zur rechten Zeit abzuschließen! Der Hanswurst nahm des schönsten Abganges, der sich ihm bot, nicht wahr! Der Schwächling war der Größe seiner Bestimmung nicht gewachsen!
    FANNY.
    Suchen Sie sich neue, größere Aufgaben! Es muß deren welche geben! Wenn es Ihnen nur ernst darum ist, sie zu finden!
    HETMANN.
    Vielleicht sehen Sie sich statt meiner um; und haben Sie etwas Geeignetes gefunden, dann teilen Sie es mir mit. – – Mein Lebenstrieb ließ sich von jeher nur durch die außerordentlichsten Reizmittel wach erhalten; und so bin ich nun folgerichtig bei dem alleräußersten angelangt. Wie soll ich mich über Selbstverständliches wundern: – der Tod wird zur unerläßlichsten Lebensbedingung.
    FANNY.
    Aber wie stellt sich denn das Entsetzliche in Ihrem Kopfe dar? Sie selber sagen: Im Kampf gegen Staatsgewalten läßt sich das Leben nicht preiswürdig einsetzen. Wollen Sie sich denn noch einmal der lächerlichen Quälerei ausliefern, der Sie heute vor einem Jahr glücklich entronnen sind?!
    HETMANN.
    Für die Ware, die ich zu Markte treibe, gibt es außer dem Staate noch einen dankbareren, einen hungrigeren Abnehmer; einen Abnehmer, mit dem man im Handumdrehen handelseinig wird. Das ist der Straßenpöbel! – Solange Sie inmitten dieses Pöbels Ihre Ruhe wahren, wagt es keiner unserer Bekannten, eine Hand zu meinem Schutz zu erheben. Der Straßenpöbel ist leicht zu reizen und fürchtet keine Verantwortlichkeit! Der Straßenpöbel ist schlagfertig! – Anderntags hat dann jeder, im Bewußtsein, daß ihm unversehens etwas zum Opfer fiel, das Gefühl einer seltsamen Weihe, das ihn zeit seines Lebens nicht verläßt.
    FANNY.
    Und mich haben Sie dazu ausersehn! Mich halten Sie für das grauenvolle Ungeheuer, das eine Ermordung kalten Blutes miterlebt?!
    HETMANN.
    Dafür halte ich Sie! Sie fühlen auch jetzt schon, daß ich mich in Ihnen nicht täusche!
(Höhnisch.)
Zum Tränenvergießen sind Sie doch wohl kein so schönes Weib! Ich habe, seit ich auf dieser Welt bin, nie mit unbelastetem, freiem Herzen ein Fest gefeiert. Einmal in meinem Leben soll mir das aber noch vergönnt sein!

Vierter Akt
    Ein in einem großen Etablissement gelegenes Gastzimmer, das für gewöhnlich nicht gebraucht wird. Drei Wirtstische, von denen der mittlere etwas zurücksteht. Kleiderrechen und Garderobestücke. Neben der Tür befindet sich ein Büfett mit Wasserhähnen, eine Schale, ein Handtuch usw. – An dem Tisch rechts vorn, vom Zuschauer aus, sitzt Hetmann. Am mittleren Tisch sitzt Morosini zwischen, vom Zuschauer aus links, der Fürstin Sonnenburg und, rechts, Mrs. Grant. An dem Tisch zur Linken sitzen Walo von Brühl und Berta Launhart. Diese Personen verlassen ihre Plätze nicht eher, als es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Gellinghausen geht im Hintergrund auf und nieder. – Rudolf Launhart tritt mit hastigen Schritten ein; Fritz folgt ihm und bleibt neben der Türe stehen.
    LAUNHART.
    Der Saal ist schon –
(Nach der Uhr sehend.)
– wir haben gerade noch zehn Minuten Zeit – bis auf den letzten Platz besetzt. Es werden fortwährend noch Stühle hereingetragen. Die Feuerpolizei hat schon sämtliche Notausgänge öffnen lassen. Soll ich Ihnen eine Flasche Sekt

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