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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Die wie ein wildes Tier aus der menschlichen Gemeinschaft hinausgehetzte Dirne; das zu körperlicher und geistiger Krüppelhaftigkeit verurteilte, um sein ganzes Liebesleben betrogene alte Mädchen; und die zum Zweck einer möglichst günstigen Verheiratung gewahrte Unberührtheit des jungen Weibes. Durch dieses Axiom hoffte ich den Stolz des Weibes zu entflammen und zum Kampfgenossen zu gewinnen. Denn von Frauen solcher Erkenntnis erhoffte ich, da mit Wohlleben und Sorglosigkeit einmal abgerechnet war, eine frenetische Begeisterung für mein Reich der Schönheit. – Die Rechnung war falsch ! Das Weib steht sittlich so tief, daß Schönheit bei ihm immer nur als Mittel zum Zweck in Betracht kommt. Schönheit um ihrer selbst willen ist dem Weib ein Greuel. – – Vor allem aber hoffte ich die heranwachsende Jugend derart zu fanatisieren, daß schon die nächste Generation die Häßlichkeit so verabscheuen müßte, wie sich die gegenwärtige vor der Armut fürchtet. Die Rechnung war falsch. Die Jugend kennt kein erhabneres Ziel, als vor alle dem, was die Wogen des Lebens aus unergründlichen Tiefen aufwerfen, möglichst rasch in sicherer Behausung geborgen zu sein. – –
(Von jetzt an langsamer und gelassen.)
Mein Geschick klage ich deshalb nicht an, weil mir nicht gelang, was auch sonst keinem gelingt. Aber indem sich ergibt, daß alles in dieser Welt gar nicht anders sein kann als so, wie es einmal ist, wächst ins Gigantische die Langeweile. – Kinder ergötzt es, Seeräuber und Gefangene zu spielen, weil ihnen das Treiben der Erwachsenen Achtung abnötigt. Aber uns, die wir erwachsen sind, was nötigt uns noch Achtung ab? – – – Was sollen wir spielen?
    VON BRÜHL.
    Der Schmerz, der aus Ihren Worten spricht, ist so beklemmend, daß ich einen Versuch, Sie zu trösten, nicht wagen könnte.
    BERTA.
    Höre mich an, Fanny! Er ist ein Mensch, dem das Bewußtsein, geliebt zu werden, die furchtbarsten Qualen bereitet! Trotz meiner Häßlichkeit spreche ich diese Erleuchtung, die mir heute aufgegangen, mit ruhigen Worten aus. Wer ihm ein Geschenk bringt, wird ihm zum Abscheu. Dich schützte bis jetzt deine Schönheit vor dieser Entdeckung, aber sie bleibt dir so wenig erspart wie mir!
    VON BRÜHL.
    Herr Hetmann – ich gedachte Sie noch über verschiedene andere Dinge zu fragen. Aber mir scheint, ich habe die Stunde nicht gerade günstig gewählt.
    HETMANN
durch die Zähne.
    Wie lange soll ich noch widerstandslos der Willkür alles erdenklichen Menschengelichters preisgegeben sein!
    BERTA.
    Für uns beide, Herr von Brühl, halte ich es für das Richtige, wenn wir jetzt gehen.
    VON BRÜHL.
    Erlauben Sie mir, gnädiges Fräulein, Sie zu begleiten? Sie kennen Herrn Hetmann länger als ich; Sie können mir manchen wertvollen Aufschluß geben.
    BERTA.
    Das bliebe also meine Entschädigung! – Kommen Sie in Gottes Namen! – Herr Hetmann entsetzt sich vor Frauen, die ihn lieben. Er sehnt sich nach Dirnen, die ihn mißhandeln! Darauf beruht seine ganze Philosophie! Meine Freundin Fanny wird das noch früh genug erfahren!
    Berta und von Brühl verlassen das Zimmer.
    HETMANN.
    Fräulein Fanny – – ich glaube, ich werde das Mittel anwenden.
    FANNY.
    Wie meinen Sie das?
    HETMANN.
    Sie fragen natürlich, warum ich Ihnen das mitteile. Solche Entschlüsse, finden Sie, behält man für sich.
    FANNY.
    Von welchem Entschluß sprechen Sie?
    HETMANN.
    Aber ich muß sicher sein, daß mir die Nächststehenden im entscheidenden Augenblick nicht in die Arme fallen. Wenn das Mittel nicht wirkungslos bleiben soll, muß es das Ansehen unerläßlicher Notwendigkeit wahren. Es darf nicht als ein klägliches alltägliches Mißgeschick erscheinen.
    FANNY.
    Um Gottes Barmherzigkeit, welche Ungeheuerlichkeiten brüten Sie aus!
    HETMANN.
    Um solcher Aufregung willen vertraue ich mich Ihnen allerdings nicht an! Sie können ruhig bleiben; deshalb spreche ich mit Ihnen. Ich kenne sonst niemanden, der eine so robuste Seele hat wie Sie. – Ich brauche Umgebung, wenn ich das Vorhaben ausführe, erstens um nicht daran gehindert zu werden und zweitens, damit ich nicht wie ein Regentropfen im Weltmeer verschwinde und mich nachher kein Mensch gesehen haben will. Verstehen Sie mich wohl! Ich brauche eine Schranke, die mich, bis es zum Abschluß kommt, von der Menge trennt. Diese Schranke sollen Sie mir schaffen.
    FANNY
empört.
    Kein Mensch krümmt Ihnen ein Haar, solang ich lebe!
    HETMANN.
    So sprechen Sie jetzt. Ich rechne damit, daß Ihnen kein

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