Dramen
Schreibtisch in Ebenholz. In der Mitte einige Sessel um ein chinesisches Tischchen.
Erster Auftritt
Lulu. Schwarz. Dann Henriette.
Lulu in grünseidenem Morgenkleid, steht regungslos vor dem Spiegel, runzelt die Stirn, fährt mit der Hand darüber, befühlt ihre Wangen, trennt sich vom Spiegel mit einem mißmutigen, halb zornigen Blick, geht nach rechts, sich mehrmals umwendend, öffnet auf dem Schreibtisch eine Schatulle, zündet sich eine Zigarette an, sucht unter den Büchern, die auf dem Tisch liegen, nimmt eines zur Hand, legt sich auf die Chaiselongue, dem Spiegel gegenüber, läßt, nachdem sie einen Moment gelesen, das Buch sinken, nickt sich ernsthaft zu, nimmt die Lektüre wieder auf.
Schwarz
Pinsel und Palette in der Hand, tritt von rechts ein, beugt sich über Lulu, küßt sie auf die Stirn, geht nach links die Stufen hinan, wendet sich in der Portiere um
Eva!
Lulu
lächelnd
Befehlen?
Schwarz
Ich finde, du siehst heute außerordentlich reizend aus.
Lulu
mit einem Blick in den Spiegel
Es kommt auf die Ansprüche an.
Schwarz
Dein Haar atmet eine Morgenfrische…
Lulu
Ich komme aus dem Wasser.
Schwarz
sich ihr nähernd
Ich habe heute furchtbar zu tun.
Lulu
Das redest du dir ein.
Schwarz
legt Pinsel und Palette auf den Teppich und setzt sich auf den Rand der Chaiselongue
Was liest du denn da?
Lulu
liest
Plötzlich hörte sie einen Rettungsanker die Treppe heraufwinken.
Schwarz
Wer in aller Welt schreibt denn so ergreifend?
Lulu
liest
Es war der Geldbriefträger.
Henriette
durch die Entree, eine Hutschachtel am Arm, setzt ein Tablett mit Briefen auf den Tisch
Die Post. – Ich gehe der Putzmacherin den Hut bringen. Haben gnädige Frau noch etwas zu befehlen?
Lulu
Nichts.
Schwarz winkt ihr, sich zu entfernen.
Henriette verschmitzt lächelnd ab.
Schwarz
Was hast du vergangene Nacht denn alles geträumt?
Lulu
Das hast du mich heute doch schon zweimal gefragt.
Schwarz
erhebt sich, nimmt die Briefe vom Tablett
Ich zittere vor Neuigkeiten. Ich fürchte jeden Tag, die Welt könnte untergehen.
(Zur Chaiselongue zurückgekehrt, Lulu einen Brief gebend)
An dich.
Lulu
führt das Billett zur Nase
Die Corticelli.
(Birgt es an ihrem Busen.)
Schwarz
einen Brief durchfliegend
Meine Samaquecatänzerin verkauft – für 50 000 Mark!
Lulu
Wer schreibt denn das?
Schwarz
Sedelmeier in Paris. Das ist das dritte Bild seit unserer Verheiratung. Ich weiß mich vor meinem Glück kaum zu retten.
Lulu
auf die Briefe deutend
Da kommt noch mehr.
Schwarz
eine Verlobungsanzeige öffnend
Sieh da!
(Gibt sie Lulu.)
Lulu
liest
Herr Regierungsrat Heinrich Ritter von Zarnikow beehrt sich, Ihnen von der Verlobung seiner Tochter Charlotte Marie Adelaide mit Herrn Dr. Ludwig Schön ergebenste Mitteilung zu machen.
Schwarz
einen anderen Brief öffnend
Endlich! Es ist ja eine Ewigkeit, daß er darauf lossteuert, sich vor der Welt zu verloben. Ich begreife nicht, ein Gewaltmensch von seinem Einfluß. Was steht denn seiner Heirat eigentlich im Wege!!
Lulu
Was ist das, was du da liest?
Schwarz
Eine Einladung, mich an der internationalen Ausstellung in Petersburg zu beteiligen. – Ich weiß gar nicht, was ich malen soll.
Lulu
Irgendein entzückendes Mädchen natürlich.
Schwarz
Wenn du mir dazu Modell stehen willst?
Lulu
Es gibt doch, weiß Gott, auch andere hübsche Mädchen genug.
Schwarz
Ich gelange aber einem anderen Modell gegenüber, und wenn es pikant wie die Hölle ist, nicht zu dieser vollen Ausbeutung meines Könnens.
Lulu
Dann muß ich ja wohl. – Ginge es denn nicht vielleicht auch liegend?
Schwarz
Am liebsten möchte ich das Arrangement wirklich deinem Geschmack überlassen.
(Die Briefe zusammenfaltend)
Daß wir nicht vergessen, Schön jedenfalls heute noch zu gratulieren!
(Geht nach rechts und schließt die Briefe in den Schreibtisch.)
Lulu
Das haben wir doch längst getan.
Schwarz
Seiner Braut wegen.
Lulu
Du kannst es ihm ja noch einmal schreiben.
Schwarz
Und jetzt zur Arbeit.
(Nimmt Pinsel und Palette auf, küßt Lulu, geht links die Stufen hinan, wendet sich in der Portiere um)
Eva!
Lulu
läßt ihr Buch sinken, lächelnd
Befehlen?
Schwarz
sich ihr nähernd
Mir ist täglich, als sähe ich dich zum allererstenmal.
Lulu
Du bist schrecklich.
Schwarz
sinkt vor der Chaiselongue in die Knie, liebkost ihre Hand
Du trägst die Schuld.
Lulu
ihm die Locken streichelnd
Du vergeudest mich.
Schwarz
Du bist ja mein. Du bist auch nie
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