Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft
niedriger gewesen.
Teamworker werden offiziell eingestellt, um Regale einzuräumen. Tatsächlich arbeiten sie bisweilen wie feste Rewe-Angestellte, beraten etwa die Kunden im Laden. Und das hat Kalkül: Sie tragen Namensschilder, sollen ansprechbar wirken. Ein Schulungsfilm, den neue Teamwork- Mitarbeiter erhalten, gibt Anweisungen für das »Verhalten gegenüber den Käufern«: »Wie jeder andere Mitarbeiter des Marktes geben wir höflich Auskunft. Der Kunde ist immer König.« Zu sehen ist eine brünette Teamworkerin, die strahlend eine Kundin durch den Supermarkt führt und ihr eine Backmischung empfiehlt.
Auch in meinem Rewe-Markt sind die Werkvertragler in die Abläufe eingebunden. Schon am Abend meines ersten Arbeitstages steht der stellvertretende Marktleiter vor mir, zeigt auf eine Packung mit Wellness-Getränken und brüllt »Drogerie!«. Folgsam marschiere ich in die Seifenabteilung. Kurze Zeit später schickt er mich in die Genussecke, um italienische Olivenöle einzuräumen.
Wären die Regaleinräumer direkt bei Rewe beschäftigt, wäre es normal, dass sie Anweisungen vom Stammpersonal bekommen. Doch weil sie offiziell für ein Subunternehmen arbeiten, wird der Werkvertrag durch Anweisungen eines Marktleiters möglicherweise illegal, erläutert Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler von der Universität Bremen. »Ob wirklich Werkvertragsarbeit oder verdeckte Leiharbeit vorliegt, hängt davon ab, wer letztlich die Weisungsbefugnis hat, der Rewe- Mitarbeiter oder der Teamleiter«, sagt Däubler. Wenn das Rewe-Personal weiter alles bestimme, sei das »Werk«, also das Regaleinräumen, gar nicht ausgelagert, man würde nur fremde Arbeitskräfte einsetzen. Teamworker müssten dann den Mindestlohn für Leiharbeiter oder sogar dieselbe Vergütung wie die Rewe-eigenen Regalauffüller bekommen.
Um dies durchzusetzen, müssten die Werkvertragler vor Gericht ziehen. Viel Hilfe vom Staat können sie nicht erwarten. »Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers«, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Eine Berichtspflicht der Unternehmen, ob und wie sie Beschäftigte von Subunternehmen einsetzen, bestehe nicht. Die Fahnder der »Finanzkontrolle Schwarzarbeit« des Zolls dürfen zwar kontrollieren, ob Schein-Werkverträge vorliegen – allerdings nur bei Verdacht, also bei konkreten Anhaltspunkten.
Der Stern hätte auch gern die Positionen von Rewe und Teamwork zu den Vorwürfen gehört. Doch beide Unternehmen wollten sich auch nach wiederholter Aufforderung nicht äußern. Konkurrent Real reagiert auf die Tücken der Werkverträge so: Die Einräumer rücken außerhalb der Öffnungszeiten an. Die Metro-Tochter setzt in rund 250 Supermärkten Subunternehmen ein, neben Teamwork etwa SIG Instore Logistics GmbH und Kötter Services. Doch die Erfahrungen sind offenbar nicht immer gut.
Grundsätzlich gebe es die Tendenz, die Fremdverräumung wieder zu verringern, versichert das Unternehmen gegenüber dem Stern . In einem Test-Markt sollen die Regale künftig ausschließlich von Real-Mitarbeitern und außerhalb der Öffnungszeiten eingeräumt werden – um die »Geschäftsprozesse zu optimieren«, wie es offiziell heißt. Von Angestellten des Unternehmens erfährt man: Zu oft sollen die in der Nacht von Werkvertraglern eingeräumten Waren in den falschen Regalen gelandet sein.
Und die Bundesregierung? Sie sieht »keinen Handlungsbedarf«. Auf eine Anfrage der Linkspartei antwortete das Ministerium von Ursula von der Leyen im Juli dieses Jahres: Hinweise auf eine systematisierte, missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen zur Umgehung von tariflichen Standards lägen der Regierung nicht vor.
Nach einer Woche kündige ich bei Teamwork. Zum Abschied droht mir eine Mitarbeiterin am Telefon mit juristischen Folgen und Schadensersatz. Ich müsse die Kündigungsfrist von zwei Wochen einhalten und zur Arbeit kommen. Ich schicke daraufhin eine zweite Kündigung – außerordentlich und fristlos. Dem Grund, den ich nenne, haben auch die Teamwork-Juristen nichts entgegenzusetzen: 6,50 Euro – dieser Lohn ist sittenwidrig.
Mein Monat mit Hartz IV – Von Sebastian Pantel
Im Oktober 2010 lebte Sebastian Pantel vom Regelsatz eines Hartz-IV-Empfängers. Der Regionalreporter des Konstanzer Südkurier wollte selbst erleben, wie es sich anfühlt, mit der »Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte« zu leben. In seinem Blog http://hartz4monat.wordpress.com/
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