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Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Titel: Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Redline Wirtschaft
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Hartz IV, weil der Lohn nicht ausreicht. Unter diesen 90.000 arbeiten 20.000 sogar Vollzeit. Fazit: 270.000 von 500.000 Hartz-IV-Empfängern, also nur gut die Hälfte, arbeiten nicht, obwohl sie theoretisch könnten. Wie viele davon wiederum gar nicht arbeiten wollen, lässt sich nicht beziffern. Der Eindruck meiner bisherigen Treffen ist jedenfalls: Der allergrößte Teil will.
    Und noch ein paar bundesweite Zahlen: Von allen Hartz-IV-Empfängern sind 11 Prozent in Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, also Schulungen, Kursen und so weiter. 10 Prozent arbeiten in Jobs mit mehr als 400 Euro Lohn, in denen das Geld allein trotzdem aufgestockt wird. 7 Prozent sind 58 Jahre und älter und nicht arbeitslos, 30 Prozent sind wegen Krankheit, Erziehung kleiner Kinder, Pflege von Angehörigen oder weil sie Schüler sind nicht erwerbsfähig. Das heißt: Nur gut 40 Prozent der Hartz-IV-Empfänger sind tatsächlich arbeitslos. Noch nicht eingerechnet sind die Menschen, die zwar offiziell erwerbsfähig sind, aber realistisch gesehen kaum eine Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt Tritt zu fassen: Schwerbehinderte, Menschen mit starker gesundheitlicher Einschränkung, Menschen über 50, die trotz Hunderten von Bewerbungen keinen Job finden, weil sie für die Anforderungen ihrer Branche schlicht zu alt sind. Erst in der Gruppe, die dann noch übrig bleibt, kann man nach denen suchen, die sich in einem Leben mit Hartz IV einrichten. Auch wenn sie das nicht allzu offensichtlich tun können, da schnell die Bezüge gekürzt werden, in extremen Fällen bis auf null. Wer über »die« Hartz-IV-Empfänger und ihren »verdienten« oder »unverdienten« Regelsatz diskutiert, sollte diese Zahlen im Kopf haben. Dann diskutiert es sich einfach besser.
    Macht Hartz IV krank?
    Was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Oder: Gerät man durch Krankheit schneller in die Arbeitslosigkeit – oder macht Arbeitslosigkeit krank? Wie es aussieht, stimmt beides – und verstärkt sich gegenseitig, je länger die Arbeitslosigkeit dauert. Sowohl die Techniker Krankenkasse als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund liefern dazu Belege. Etwa: 35 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger haben deutliche gesundheitliche Einschränkungen, sagt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Menschen, die in ihrem Leben sowohl länger krank als auch arbeitslos waren, haben in Deutschland die niedrigste Lebenserwartung. Sprich: Arbeitslose sterben früher. Arbeitslose werden auch deutlich schlechter als Erwerbstätige von gesundheitlichen Präventionsmaßnahmen erreicht.
    Da für Hartz-IV-Empfänger bei den Kassen keine Kostendeckung durch Krankenversicherungsbeiträge besteht, wirken Arbeitslose für die Kassen eher als Kostentreiber denn als Zielgruppe für Prävention – obwohl der Bedarf in dieser Gruppe von allen Versicherten am höchsten ist. Die DGB-Studie leitet aus all diesen Erkenntnissen verschiedene Ideen ab, die aber ziemlich unrealistisch erscheinen, wenn man sich die gängige Praxis im Umgang mit Hartz-IV-Empfängern anschaut. So sollen etwa die Kassen eng mit den Jobcentern zusammenarbeiten, was Prävention und Gesundheitspflege angeht. Vor allem die psychische Gesundheit soll gestärkt werden, weil ein selbstsicheres, stabiles, ausgeglichenes Auftreten die Chance auf einen Job erhöht. Der DGB rät auch, Arbeitslose nicht zu massenhaften Bewerbungen zu zwingen, sondern zu gezielten, aber dafür qualitativ hochwertigen. Hunderte von Ablehnungen seien schlecht für die psychische Stabilität. Die Gesellschaft dürfe Arbeitslose nicht ausgrenzen und mit Etiketten wie »faul« und »Schmarotzer« versehen. Auch das schlägt auf die Gesundheit der Betroffenen. Und schließlich: »Von Erwerbslosen (…) sollte im Hinblick auf ihr (Gesundheits-)Verhalten nicht mehr erwartet werden als von Menschen in stabilen Lebensverhältnissen.«
    Am Rande: Ich bin seit einigen Tagen erkältet. Das hat natürlich nichts mit meinem Hartz-IV-Selbstversuch zu tun, sondern mit herumfliegenden Viren. Aber: Die im Regelsatz für Gesundheitspflege vorgesehenen 15,55 Euro sind mit einem Gang in die Apotheke bereits futsch: für die Basis-Ausstattung zur Erkältungsbekämpfung. Wie man mit dem Geld mehrere und hartnäckigere Krankheiten behandeln soll – keine Ahnung.
    Kultursünden
    Am Wochenende habe ich gesündigt. Ich war bei den Donaueschinger Musiktagen, die ich mir als »echter« Hartz-IV-Empfänger niemals hätte leisten können.

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