Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft
Kindern oder ihres Verlobten an der Innenseite ihrer Spind-Türen. Maria (Name von der Redaktion geändert), 35 Jahre alt, wird meine engste Mitarbeiterin. Sie ist portugiesischer Abstammung, schüchtern, steht ständig unter Druck und stürmt gleich los in die Zimmer-Etagen. Ich, hinterher, quäle mich mit dem Rollwagen herum: 22 Handtücher, zwölf Paar Bettbezüge, Staubsauber und zwei 130-Liter-Wäschesäcke, das wiegt schwer.
9.00 Uhr Es muss schnell gehen, ein russisches Milliardärpaar mit einem dreijährigen Kind wird erwartet. Das Kind wird von zwei Nannys begleitet und muss in vollkommener Dunkelheit schlafen. Unsere Mission: Alle Fenster der Suite verdunkeln. Nicht ein Lichtstrahl darf hereinfallen, auch nicht am helllichten Tag.
9.30 Uhr Amanda, 21, eine weitere Kollegin und von den Kapverden stammend, platzt vor Freude. Die Dame aus Nr. 215 hat ein Abendkleid im Papierkorb zurückgelassen. »Ja – alles, was im Mülleimer liegt, ist für uns ... auf diese Weise machen uns die Gäste Geschenke.«
9.40 Uhr Fünf arabische Prinzessinnen mit 16 Koffern sind angekommen. Sie haben fünf Zimmer, verlangen ein zusätzliches für ihr Gepäck und bitten uns, die Koffer auszupacken. Auf Knien richten Maria und ich 50 Paar Louboutins in Reih und Glied und nach Farben aus. Maria sagt mir, dass sie der ganze Luxus nicht beeindruckt. »Manchmal sind die Gäste nett, manchmal fies. Einigen gefällt unsere Hautfarbe nicht und sie verlangen von der Direktion ein weißes Zimmermädchen. Sie sagen uns nichts, sprechen nicht direkt mit uns, aber ich spüre ihre Verachtung.« Die Hausdame bestätigt: »Sie sagen, dass schwarze Haut ihre Kinder erschreckt.« (Sic!) Gewissenhaft und lautlos poliert Maria 14 kristallene Parfumflakons und sortiert Kajalstifte nach Hersteller in vier Zahnputzbecher.
10.00 Uhr Die Zimmer gefallen den Prinzessinnen nicht. Wir haben zehn Minuten, um alles umzuräumen.
10.05 Uhr Nadja, 30, ebenfalls dunkelhäutig, kommt auf die Idee, uns zu helfen. »Die Leute sind schon lustig. Nehmen so viel mit, als wollten sie für den Rest ihres Lebens verreisen!« Nadja lacht die ganze Zeit – außer wenn sie auf den luxemburgischen Gast aus Nr. 116 angesprochen wird. »Vergangenes Jahr hat er mir 1000 Euro Trinkgeld gegeben und mich dann eines Abends im Zimmer eingeschlossen, um mit ihm Sachen zu machen. Ich konnte fliehen, aber er bestand darauf, dass ich ihm seine 1000 Euro zurückgebe. Er sagte mir: ,Du glaubst doch wohl nicht im Traum, dass ich dir 1000 Euro gebe, ohne etwas zurückzubekommen?‘«
Luisa erzählt: »So was kommt dauernd vor. Nackte Gäste auf dem Bett, wenn man das Zimmer betritt, die ihre Absichten in den erstaunlichsten Posen kundtun. Aber ich will keinen Ärger, daher tu ich einfach so, als ob ich nichts kapiere.« Alle Zimmermädchen haben eine Anekdote mit einem nackten Mann im Bad oder im Zimmer auf Lager. Als sie meine Ungläubigkeit bemerken, machen sie sich über mich lustig. »Was glaubst denn du? Wir sind arm und schwarz, sie sind reich und mächtig. Sie meinen, sie können sich mit uns alles erlauben.«
11.45 Uhr Ich spreche mit dem stellvertretenden Direktor. Er ist nicht überrascht. Über den berüchtigten Luxemburger ist er auf dem Laufenden und er weiß auch, wie er Situationen wie diese zu nehmen hat, ohne zu viel Aufsehens darum zu machen. Aber es gibt auch ungelöste Fälle: »Wenn etwas vorkommt, handeln wir sofort und regeln das Problem mit dem Gast. Andererseits erreichen uns gar nicht alle Vorfälle, weil die Zimmermädchen sehr diskret sind.«
Mittag Die hübsche Mouna, kokett mit ihren langen Wimpern, gibt sich fatalistisch: »Wenn wir wegen jeder kleinen Geschichte zur Hausdame gehen würden, hätten wir gar keine Zeit mehr, die Zimmer zu machen. Manchmal fummeln die Gäste an ihrem Ding rum, während wir da sind. Ich versuche dann, möglichst schnell wieder rauszukommen; wird davon richtig übel. Ich weiß, dass die anderen Mädchen sich da widerstandsfähiger geben, weil sie ja auch das Zimmer schnell fertig bekommen möchten. Sie tun einfach so, als ob nichts wäre.« Mouna ist als 13-Jährige aus Marokko eingewandert. Heute ist sie 30 und versucht gerade, Lesen und Schreiben zu lernen. Solche Geschichten mag sie nicht.
12.30 Uhr Maria und ich beeilen uns, schieben den schweren Wagen bis zur Nr. 8, der Suite der Oligarchen. Sie muss vor 13 Uhr fertig sein. Papiere, Taschentücher und Flaschen sind in die Nähe der Abfalleimer geworfen. Frische und
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