Draußen wartet die Welt
Schule. Dann sprach er über seine Französischlehrerin, die er nur »Madame« nannte, und davon, dass er ein Semester in Paris verbringen wollte, wenn er aufs College ging. Plötzlich hielt er inne und schaute mich an, als sehe er mich zum allerersten Mal. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich rede die ganze Zeit.«
»Schon okay«, versicherte ich. »Ich höre mir gern Geschichten aus deiner Schule an.« Aber es war nicht okay. Er sprach von einer Zukunft, die ich nicht haben konnte. Und er redete so beiläufig davon, als sei es die normalste Sache der Welt, erst zur Highschool zu gehen, dann an einer Universität zu studieren und kurz darauf in ein Flugzeug zu steigen und ein Semester in Paris zu verbringen. Aber wo kam ich in dieser Geschichte vor? Ich trank einen Schluck von meinem Tee. Ich hatte mich so darauf gefreut, ihn wiederzusehen, aber das hier war ganz und gar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte.
»Okay«, sagte er dann, »ich bin dir noch ein paar Erklärungen wegen des Balls schuldig.«
»Ich weiß schon Bescheid.«
»Valerie?«, fragte er. Ich nickte. »Es war falsch von mir, dir nichts von der Party zu erzählen. Aber ich wollte einfach unbedingt mit dir da hingehen. Und ich hatte Angst, sie würden dir nicht erlauben, mitzukommen, wenn sie wüssten, dass alle dort übernachten. Deshalb dachte ich, wenn du es nicht wüsstest …« Seine Stimme erstarb. »Klingt ziemlich erbärmlich, wenn ich es jetzt zu erklären versuche, oder?«
Ich nickte zustimmend. »Es klingt wirklich ziemlich erbärmlich.«
»Na, wie dem auch sei«, fuhr er fort, »das alles tut mir wirklich sehr leid. Ich hätte dich wegen der Party nicht anlügen sollen. Und ich hätte nie zulassen dürfen, dass du dich betrinkst und dich übergeben musst.« Er griff nach meiner Hand, und ich ließ zu, dass er sie nahm. »Ich verspreche dir, von jetzt an ein besserer Freund zu sein.«
Seine Hand fühlte sich warm an und er hielt meine ganz fest. »Danke«, sagte ich. Dann erinnerte ich mich wieder an meine Unterhaltung mit Tante Beth und Onkel John. »Aber der Abend hatte ja auch ein paar schöne Episoden, stimmt’s? Ich möchte mich lieber daran erinnern, wie chic wir ausgesehen haben und wie ich mit dir getanzt habe.«
Er lächelte. »Ich auch.«
»Und ich möchte auch nicht mehr böse auf dich sein«, fügte ich hinzu. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und wirkte dankbar. Ich lächelte. »Aber ist es okay, wenn ich böse auf Valerie bin?«
Er nahm seine Tasse und stieß mit meiner an. »Darauf können wir uns einigen.«
Ein paar Minuten lang knabberten wir in angenehmer Stille an unseren Keksen und nippten an unserem Tee. In einer anderen Ecke des Raumes spielte ein Gitarrist eine sanfte Melodie. Das leise Murmeln der Unterhaltungen der anderen Gäste drang an mein Ohr und in mir breitete sich wieder ein Gefühl des Friedens aus. Dann brach Josh das Schweigen. »Also, dann erzähl mir mal, was du so gemacht hast.«
Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf erwidern sollte. Nach zwei Wochen Arbeit vereinten sich die Farben in meinen Quiltquadraten in stiller Harmonie und ich hatte endlich alle Briefe von zu Hause beantwortet. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass Josh sich für irgendetwas davon interessieren würde. Also stellte ich ihm stattdessen Fragen über seine Freunde und seinen Job im Apple-Shop. Und wir verbrachten einen ganz netten Abend.
Und mehr auch nicht.
Am folgenden Wochenende trafen wir uns mit Greg und Valerie zum Eisessen. Ich hatte sie seit jenem Nachmittag im Bean Scene nicht mehr gesehen und war ziemlich nervös, als wir uns zusammen an einen Tisch setzten, während die Jungs an der Theke bestellten. Auch Valerie wirkte hibbelig und zupfte ständig an ihren Haaren herum.
»Okay«, sagte sie schließlich, so als knüpfe sie nahtlos an eine Unterhaltung an, »ich schätze, ich schulde dir eine Entschuldigung.«
Ich sah sie überrascht an und wartete darauf, dass sie fortfuhr.
»Ich hätte dir kein schlechtes Gewissen machen und behaupten sollen, dass wir nach dem Ball alle deinetwegen Ärger gekriegt haben.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und ihre Finger zitterten.
Ich wartete darauf, dass sie noch etwas hinzufügte, aber das tat sie nicht. »Danke«, sagte ich schließlich.
»Also, ist zwischen uns alles okay?«
Ich dachte über das Wort »okay« nach. Es bedeutete weder gut noch schlecht. Unsere Lehrerin hatte »O.K.« unter die Hausaufgaben geschrieben, wenn wir sie gemacht hatten,
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