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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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die Worte dann auf einem kleinen Bildschirm auf ihrem eigenen Telefon lesen.« Ich versuchte, mir vorzustellen, wie es wäre, Kate oder Annie während des Gottesdiensts am Sonntag Nachrichten zu schicken oder an einem ruhigen Nachmittag von zu Hause aus. Ich versuchte, mir diese Welt vorzustellen, in der ich mit meinen Freundinnen kommunizieren konnte, wann immer mir der Sinn danach stand, anstatt auf eine Gelegenheit warten zu müssen, bei der wir uns von Angesicht zu Angesicht begegneten. Über meine Schulter warf ich den Frauen, die hinter mir am Herd arbeiteten, einen schnellen Blick zu. Ich konnte es kaum erwarten, meinen Freundinnen von Mrs Asters Angebot zu erzählen. Und davon, dass meine Eltern mir nicht erlaubten, von zu Hause auszuziehen. Aber ich musste warten, bis meine Mutter außer Hörweite war.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Annie herausplatzte: »Glaubt ihr, dass Marc heute auch kommt?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Kate und sah mich grinsend an. Annie war schon eine ganze Weile in Marc vernarrt, aber noch gingen die beiden nicht miteinander aus, und Annies ohnehin sehr überschaubarer Vorrat an Geduld war allmählich aufgebraucht.
    Sie drehte sich zu mir um. »Hat Daniel irgendwas zu dir gesagt? Fragt Marc manchmal nach mir?« Sie spielte mit einer verirrten Haarsträhne, die ihrem kastanienbraunen Pferdeschwanz entkommen war.
    »In letzter Zeit hat er nichts gesagt«, antwortete ich, enttäuscht, dass sich das Thema unserer Unterhaltung geändert hatte. Ich hätte lieber erfahren, woher Kate über das Versenden von SMS Bescheid wusste. »Willst du, dass ich ihn frage?« Daniel kam abends öfter mit seiner Kutsche vorbei, leuchtete mit seiner Laterne in mein Fenster und fragte mich, ob ich nicht rauskommen und ihm Gesellschaft leisten wolle. Manchmal fragten mich meine Freundinnen, ob Daniel mein Verehrer war, aber das konnte ich mir wirklich nicht vorstellen. Mein Kopf war so von dem Gedanken erfüllt, fortzugehen, dass ich mich auf nichts konzentrieren wollte, was vielleicht den Wunsch in mir ausgelöst hätte, doch hierzubleiben.
    Annie schüttelte den Kopf und eine weitere Haarsträhne löste sich. »Nein, ich will nicht, dass er denkt, dass ich ihn anschmachte. Er soll von sich aus zu mir kommen.«
    Ich warf die letzten Salatblätter in die Schüssel und begann, die Karotten zu zerkleinern. Ich hörte Kate zu, als sie berichtete, sie habe ihren ersten Quilt verkauft, und lauschte Annie, die erzählte, wie sie Sally in Peters »Pärchenkutsche« gesehen hatte.
    »Hier bist du also«, sagte Margaret und stellte sich in ihrer typisch zurückhaltenden Art neben meine Freundinnen. Ich gab meiner Schwester einen Kuss und hörte zu, wie Kate und Annie sie über das Eheleben ausfragten. Sie senkte ihren Blick, so als habe sie all diese Aufmerksamkeit nicht verdient, und spielte mit ihren schmalen Fingern nervös an ihrem strengen Dutt herum.
    »Ich sollte Mutter helfen«, sagte sie. »Ich wollte dir und deinen Freundinnen nur kurz Hallo sagen.«
    Margaret wandte sich zum Gehen, aber ich griff nach ihrer Hand. Sie drehte sich zu mir um. Als ich sah, dass unsere Mutter uns den Rücken zuwandte, sagte ich mit leiser Stimme: »Hat Mom dir erzählt, dass wir Streit haben?«
    »Seid du und Mom böse aufeinander?«, fragte Margaret sanft. »Oder bist nur du böse auf Mom?«
    Ich betrachtete die gleichmäßigen Gesichtszüge meiner Schwester, ihr helles Haar und ihre sandfarbenen Augen. Sie wartete auf meine Antwort, und ich wusste, dass sie selbst dann noch hier stehen würde, ganz ruhig und aufmerksam, wenn ich eine Stunde brauchen würde, um etwas zu sagen. »Hauptsächlich bin ich böse auf Mom«, gab ich schließlich zu. »Und das aus gutem Grund.«
    Sie legte eine Hand auf meine Schulter. Ihre Berührung war so sanft, dass ich den Druck kaum spürte. »Du denkst, Mutter sei gegen dich, aber das ist sie wirklich nicht.«
    Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Ich drehte mich wieder zum Tisch zurück, wo meine Freundinnen über die Party am nächsten Freitag sprachen. Margarets Hand ruhte noch immer auf meiner Schulter, jetzt mit mehr Druck. Ich wandte mich erneut zu ihr um.
    »Vertrau mir«, sagte sie. Dann verschwand sie ebenso leise, wie sie gekommen war – meine Schwester, die gute Amische, die sich ihrer Lebenspläne immer so sicher gewesen war. Ich sah zu, wie sie ihren Platz zwischen den anderen Frauen einnahm, die mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt waren.

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