Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
Vom Netzwerk:
ihm.
    Seite an Seite schlenderten wir den Weg entlang, der von Margarets Haus in ein Wäldchen führte. Während des Spaziergangs nahm Daniel meine Hand, und ich ließ zu, dass er sie hielt. »Du zuerst«, sagte er. »Ich merke doch, dass du irgendwas sagen möchtest. Das will ich auch. Aber fang du ruhig an.«
    Wir blieben stehen und er griff nach meiner anderen Hand. Wir standen ein wenig unbeholfen da, wie kleine Kinder, die miteinander tanzen wollten.
    »Ich möchte von hier weggehen. Während meines Rumspringa. Ich will eine Zeit lang woanders wohnen und mal ausprobieren, wie das Leben der Englischen so ist.« Ich wartete gespannt, was er zu meiner Idee sagen würde. Meine Hände, die in seinen ruhten, fühlten sich warm und behaglich an.
    »Ich glaube nicht, dass das Leben der Englischen etwas ist, was du einfach so ausprobieren kannst«, sagte er nach einem Moment der Stille. »Das ist nicht wie mit einem Paar Schuhe.«
    »Du weißt schon, was ich meine. Es ist die Zeit, in der wir unsere Freiheit genießen sollten. Ich will nicht einfach nur über dieses Leben sprechen. Ich möchte so leben wie sie.«
    »Und wie leben sie?«
    »Genau das ist ja der Punkt«, erwiderte ich und konnte selbst die Verzweiflung in meiner Stimme hören. »Ich weiß nicht, wie sie leben. Das will ich ja gerade herausfinden.«
    »Gibt’s hier denn was, was du nicht magst?«
    Daniels Gesicht wirkte unglaublich vertraut. Ich kannte die winzigen Grübchen über seinen Wangenknochen und die Art, wie seine Augenwinkel nach oben wanderten, wenn er grinste. Seine Stimme war ruhig und direkt, wie eine gerade Straße. Ich wusste, dass ich, wenn ich hierblieb, in dem Gefühl der Behaglichkeit versinken konnte, das er mir gab. Dann würde ich niemals herausfinden, was ich in der Welt dort draußen vielleicht versäumte.
    »Das hier ist alles, was ich je kennengelernt habe«, sagte ich. »Deshalb kann ich es auch nicht mögen oder nicht mögen. Ich habe nichts, womit ich es vergleichen könnte.«
    Daniel nickte, lauschte noch immer und wartete auf mehr. Aber ich konnte einfach nicht die passenden Worte finden, um das Gefühl der Rastlosigkeit zu beschreiben, das mich in den vergangenen Monaten erfüllt hatte. Er drückte meine Hände. »Dann solltest du gehen«, erwiderte er. »Du solltest irgendeine Möglichkeit finden, es zu schaffen.«
    Ich atmete tief ein, ermutigt von seinen Worten. »Ich dachte, die hätte ich schon gefunden«, gestand ich. »Ich habe in der Pension jemanden kennengelernt, der mir eine Stelle als Kindermädchen in Chicago angeboten hat.«
    »Das ist sehr weit weg«, warf er ein.
    »Ich weiß.«
    »Ist es das, was du willst?«, fragte er. Ich nickte. »Was hält dich dann zurück?«
    »Meine Eltern«, antwortete ich. »Da muss noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden.«
    Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. »Dann überzeuge sie. Darin bist du doch gut.«
    Ich machte einen Schritt auf ihn zu und spürte seine zuverlässige Wärme. Wir hielten einander ein paar Minuten lang zärtlich umarmt, bevor Daniel mich daran erinnerte, dass wir besser zurückgehen sollten. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Margarets Haus.
    Plötzlich fiel mir etwas ein. »Was wolltest du mir eigentlich sagen?«
    »Egal«, erwiderte er. »War nicht so wichtig.«
    Vor uns standen die Männer in einer Reihe und bereiteten sich darauf vor, den Holzrahmen für eine der Wände aufzustellen, die schon bald ein Teil von Margarets und Jacobs Scheune sein würde. Die Frauen waren im Haus, nähten und kochten. Ich ließ Daniels Hand los, und wir eilten zurück zu der Männer-und Frauenarbeit, die auf uns wartete. Wir eilten zurück in die Welt, die wir kannten.

 
Kapitel 6
    Der folgende Tag, Montag, war mein freier Tag in der Pension. Meine Mutter und ich kochten in der Küche gemeinsam Erdbeermarmelade ein. Während meine Mutter die köchelnde Mischung aus Erdbeeren, Zucker und Zitronensaft umrührte, kochte ich die Einmachgläser ab. Mit einer Zange in der Hand beobachtete ich, wie das Wasser um die Gläser, Deckel und Gummiringe sprudelte, und behielt dabei stets die Uhr im Auge, um sicherzugehen, dass alles volle zehn Minuten lang köchelte. Ich breitete ein sauberes Handtuch auf der Theke aus, damit ich das gesamte Zubehör darauf ausbreiten konnte, sobald ich es aus dem Topf holte. Ich war noch immer wütend auf meine Mutter, aber ich hoffte, dass sich während der ruhigen Arbeit, die wir verrichteten, noch einmal die

Weitere Kostenlose Bücher