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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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»Stimmt was nicht?«, fragte sie.
    Ich nickte in Richtung der Holzpalette, auf der wir gesessen hatten. Annie und Mary saßen mit offensichtlichem Unbehagen da, während Hannah angeregt und mit einem strahlenden Lächeln auf sie einredete. »Sie ist mit Daniel gekommen.«
    »Du willst mich veräppeln«, erwiderte Kate. »Wo ist er?«
    Ich schaute mich im Raum um und sah ihn bei einer Gruppe von Jungen stehen, eine Limonadendose in jeder Hand. Eine davon würde er wahrscheinlich gleich Hannah bringen. Kate drehte sich zu mir um und sah mich mitfühlend an.
    »Als Daniel und ich beim Scheunenrichtfest spazieren gegangen sind, wollte er mir irgendwas sagen. Aber dann hat er es sich anders überlegt«, erzählte ich ihr. »Glaubst du, er wollte mir sagen, dass er Hannah den Hof macht?«
    »Das wäre mir neu«, erwiderte Kate. »Geht’s dir denn gut?«
    »Ich schätze schon«, sagte ich und versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu verstecken. Ich atmete tief ein. »Aber ich muss einfach sicher sein, dass zwischen dir und mir alles geklärt ist. Du warst vorhin ziemlich wütend.«
    Kate schaute zu Boden. »Nicht wütend. Eifersüchtig.«
    Ich wartete darauf, dass sie noch mehr sagte.
    »Ich weiß, dass ich meine Mutter niemals verlassen kann. Sie ist einfach nicht mehr dieselbe, seit mein Bruder von zu Hause weggegangen ist.«
    »Oh, Katie«, sagte ich und legte einen Arm um ihre Schultern. Sie schlang ihren Arm um meine Hüfte und wir standen schweigend beisammen und spürten die Nähe der anderen. Ich atmete Kates Duft ein – wie warme Milch – und dachte daran, wie wir uns in der Pause immer an den Händen gehalten und uns in unseren Zukunftsplänen ausgemalt hatten, dass wir eines Tages nebeneinander wohnen würden.
    Kates älterer Bruder William hatte die Taufe abgelehnt und die Gemeinde vor einem Jahr verlassen, als er neunzehn gewesen war. Anfangs hatte er seiner Familie hin und wieder geschrieben, aber nach ein paar Monaten waren die Briefe ausgeblieben. Ich fragte mich, ob meine Mutter an William gedacht hatte, als sie sich damals so vehement dagegen wehrte, dass James von zu Hause auszog – und als sie nun ihre Entscheidung traf, dass ich bei ihnen bleiben würde.
    »An William habe ich gar nicht gedacht«, gestand ich und schüttelte den Kopf.
    »Ist schon in Ordnung«, versicherte Kate. »Er ist jetzt schon so lange weg. Ich verstehe, dass die Leute nicht die ganze Zeit an ihn denken, so wie ich.«
    »Es tut mir leid, dass ich anscheinend auch zu diesen Leuten gehöre.«
    »Wahrscheinlich war ich einfach traurig, weil es für dich so leicht schien, mich zu verlassen«, gestand Kate. »Ich weiß, dass das selbstsüchtig ist, aber so habe ich mich nun mal gefühlt.«
    »Dich zu verlassen, wäre das Schwerste von allem gewesen.« Wir wandten uns einander zu und sahen uns an. Ich blickte in ihre graublauen Augen und wusste, dass sie mir glaubte.
    Wir ließen einander los, standen aber noch immer ganz dicht beisammen. Ich drehte mich wieder zum Tisch um und ließ meinen Blick über die Körbe mit Chips und Popcorn und die Tabletts mit Käse und Crackern schweifen. Ich wollte nichts davon. Mein Magen krampfte sich zusammen. Die Luft war furchtbar dünn. Dann spürte ich etwas Warmes neben mir, und als ich aufschaute, blickte ich in Daniels grüne Augen. »Hi, Eliza«, begrüßte er mich mit sanfter, ruhiger Stimme. »Ich habe dich gar nicht gesehen, als ich reingekommen bin.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kate sich von uns entfernte und sich zu einer anderen Gruppe von Mädchen gesellte. Ich holte tief Luft. »Du meinst, als du und Hannah reingekommen seid.«
    Daniel hob die Augenbrauen. »Gibt’s damit vielleicht ein Problem?«
    »Ich habe einfach nicht erwartet, dich mit einem anderen Mädchen zu sehen«, erwiderte ich und schluckte meine Nervosität hinunter. »Bei Margarets Scheunenrichtfest hast du nicht den Eindruck gemacht, als ob du an einem anderen Mädchen interessiert wärst.«
    »Hannah ist nicht mein Mädchen«, sagte er. »Sie hat mich gefragt, ob ich sie mitnehmen kann, und das habe ich gemacht.« Ich nickte und fühlte mich schon ein wenig besser. »Außerdem hast du mir letztes Wochenende gesagt, dass du von zu Hause fortgehen möchtest.«
    »Tja, das werde ich nicht«, entgegnete ich. »Meine Eltern lassen mich nicht weg.«
    »Das tut mir leid, Eliza«, sagte er. Ich musste zugeben, dass er wirklich klang, als hätte er Mitleid. »Du musst bestimmt sehr enttäuscht

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