Draußen wartet die Welt
sein.«
»Enttäuscht, ja«, sagte ich. »Das gehört auch zu den Dingen, die ich fühle.« Ich sah Daniel direkt in die Augen und konnte echte Besorgnis darin erkennen. Aber im Moment konnte ich mich nicht von seiner Freundlichkeit trösten lassen. Immerhin war er mit einem anderen Mädchen hier.
»Da bist du ja, Daniel«, hörte ich Hannahs Stimme. Sie klang gleichzeitig schrill und eingeschnappt, so als ahme sie ein dickköpfiges kleines Kind nach. Sie stellte sich neben ihn, schaute mich an und schob ihre Hand unter seinem Arm durch. »Ich dachte, wir wollten spazieren gehen.«
Ich sah Daniel an, der ein wenig peinlich berührt wirkte. »Na, geht schon«, sagte ich und ließ meine Stimme fröhlich klingen. »Ich wollte sowieso grade zu Kate.« Ich drehte mich um und gesellte mich zu der Gruppe von Mädchen, die um einen runden Tisch saßen. Daniel und Hannah gingen gemeinsam hinaus, und als ich mich neben Kate setzte, schwappte eine mächtige Gefühlswelle durch mich hindurch. Ich wollte nicht mehr hier sein. Ich wollte weg von diesen Teenagern, die sich einbildeten, ihre kleinen Rebellionen seien wirklich von Bedeutung. Eines Tages würden wir ja doch alle wie unsere Eltern enden: hart arbeiten, den Gottesdienst besuchen und unseren Kindern beibringen, wie man als einfacher Mensch lebt.
Während ich krampfhaft versuchte, meine Lippen zu einem Lächeln zu verziehen, fragte ich mich, ob sich wohl noch jemand genauso sehr in diesem Leben gefangen fühlte wie ich.
Kapitel 8
An diesem Sonntagmorgen war die Familie Yoder an der Reihe, den Gottesdienst auszurichten, und ich war froh, dass wir früher gekommen waren und ich mit Kate sprechen konnte. Ich sprang von der Kutsche, machte mich auf die Suche nach meiner Freundin und fand sie im Vorgarten, wo sie den Tisch für das Mittagessen vorbereitete, das wir nach dem Gottesdienst gemeinsam einnehmen würden. Ich half ihr dabei, die Tischdecke auszubreiten und die Servietten auf die Teller zu verteilen. Wir arbeiteten schweigend, bis sich unsere Blicke trafen. »Wie ist es dir seit der Party ergangen?«
»Nicht so toll. Ich weiß nicht, ob ich enttäuschter darüber bin, dass ich nicht von zu Hause wegkann, oder darüber, dass ich Daniel mit Hannah zusammen gesehen habe.«
Kate nickte ernst. Die Glocke auf der Veranda läutete und rief alle ins Haus. »Weißt du, wir hätten dich alle schrecklich vermisst – ich, Annie, alle deine Freunde. Auch Daniel.«
Ich schüttelte energisch den Kopf und meine Kapp wackelte. »Es lohnt sich nicht, über etwas zu reden, was sowieso nicht passieren wird«, sagte ich. Dann folgte ich Kates Blick zur Veranda vor dem Haus. Dort stand Daniel gegen das Geländer gelehnt. Er nickte uns zu und hob seinen Hut.
Ich sah zu, wie er die Stufen der Veranda hinunterstieg und auf mich zukam.
»Viel Glück«, flüsterte Kate. Sie nickte Daniel flüchtig zu und eilte an uns vorbei die Treppe hinauf.
Daniel blieb vor mir stehen und ich hob den Kopf und sah in sein Gesicht. Die Wut und Nervosität, die ich seit der Party spürte, stieg wieder in mir hoch. Daniel sah jedoch genauso gelassen aus wie immer. Auf der Veranda waren nur noch ein paar Leute zu sehen. Die meisten waren bereits hineingegangen, um sich einen Platz zu suchen. Auch ich bewegte mich auf das Haus zu und Daniel ging neben mir. Er sah aus, als wolle er etwas sagen, also sah ich zu ihm hinüber.
»Ist alles in Ordnung? Du hast dich nicht mal verabschiedet, als du am Freitag von der Party nach Hause gegangen bist.«
Die Glocke läutete erneut. »Wir sollten reingehen«, sagte ich. »Wir können uns später noch unterhalten.« Ich blieb kurz stehen und betrachtete wieder einmal seine starken Schultern, die sich unter seinem Jackett abzeichneten. Ich rannte die Verandastufen hinauf und huschte durch die offene Tür auf die Frauenseite hinüber. Ich sah, wie Daniel mir erneut einen Blick zuwarf, bevor er sich zwischen den Männern niederließ.
Die Gebete schwirrten um mich herum. Ich kannte sie alle auswendig. Für gewöhnlich breitete sich eine warme Energie in mir aus, wenn der Gottesdienst begann, die sich jedoch in Langeweile verwandelt hatte, wenn er drei Stunden später endete. Aber heute fühlte ich mich von Anfang an unruhig und meine Finger und Zehen kribbelten und zuckten.
Ich schaute mich im Zimmer um. Meine Mutter saß neben ihrer Schwester. Tante Miriam war ziemlich dick und mürrisch und kniff ihre Augenbrauen stets mit tadelnder Miene zusammen. Meine
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